Der Verkauf von Gravis an eine österreichische Unternehmens-Holding ist gescheitert. Nun will Eigner Freenet die Apple-Kette bis Jahresende abwickeln. Dabei galt Gravis lange als Musterbeispiel für einen modernen Fachhandel – was ist hier schief gelaufen?
Schon die Meldung, dass Freenet beim Bundeskartellamt einen geplanten Verkauf von Gravis an die österreichische Unternehmens-Holding Anantara, den Besitzer der dortigen Apple-Kette McShark, angemeldet hatte, kam überraschend - schließlich hatte Freenet-Chef Christoph Vilanek erst Mitte 2023 persönlich die Führung von Gravis übernommen und der Handelskette ein strategisches und optisches Update verpasst. Noch unerwarteter kam, was Vilanek nun dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel mitteilte: Bis 31. Dezember 2024 werden alle Gravis-Geschäfte geschlossen. "Wir haben lange gehofft und mit unserem österreichischen Partner McShark verhandelt. auch eine Zusammenlegung hätte das Geschäft nicht gerettet. Wir müssen anerkennen, dass sich das nicht mehr lohnt", so der Freenet-Chef gegenüber dem Nachrichtenmagazin. Gravis ein hoffnungsloser Fall und das obwohl die Kette lange als Musterbeispiel für einen modernen Fachhandel galt - was ist hier schief gelaufen?
In einer Stellungnahme zur Einstellung des Geschäftsbetriebs richtet Gravis das Augenmerk unter anderem auf Apple und dessen immer stärkeren Direktvertriebs-Fokus (D2C): "Seit 2022 hat Gravis mit einem negativen Ergebnis zu kämpfen. Die Verluste steigen seitdem mehr oder weniger jedes Quartal. Das ist auf verschiedene Hintergründe und Marktbedingungen zurückzuführen. Wie viele Händler, sind auch wir nachhaltig betroffen vom Einfluss der Pandemie, dem Rückgang der allgemeinen Nachfrage sowie dem immer stärker werdenden Online-Handel und der damit einhergehenden Verluste im stationären Handel. Hinzu kommt, dass wir aufgrund des restriktiven Konditionsmodells seitens Apple keine Möglichkeit sehen, das Geschäft in Zukunft auskömmlich zu gestalten. Das sind unter anderem die Gründe dafür, dass wir schlussendlich nicht mehr wirtschaftlich waren und zu diesem Schluss kommen mussten."
Ist Apple Schuld? Oder war Freenet der falsche Eigner für Gravis?
Für die Argumentation in der Stellungnahme von Gravis spricht, dass es bereits zuvor zu ähnlichen Schwierigkeiten im deutschen Apple-Fachhandel gekommen ist. 2014 übernahm Gravis die Filialen des unter Druck geratenen Wettbewerbers re:Store. 2015 ging die Apple-Kette mStore in der Insolvenz unter. Und auch Cyberport, das unter dem Multichannel-Händlern am stärksten mit der Marke Apple identifiziert wird, verabschiedete sich von seinen Flagship-Filialen wie in der Berliner Concept Mall Bikini. Gravis war zuletzt in Deutschland der letzte große unabhängige Apple-Händler. Während dessen eröffnete Apple selbst seit der ersten Retail-Eröffnung in München 2008 Filiale und Filiale und hat sein deutsches Store-Netz inzwischen auf 16 Standorte ausgebaut. Offensichtlich ist es auch um die Treue von eigentlich fachhandelsaffinen und solventen Kunden wie der Gravis-Klientel nicht gut bestellt, wenn ein Hersteller mit dem entsprechenden Aufwand ein eigenes D2C-Vertriebsnetz aufbaut.
Was sowohl in den Interview-Äußerungen von Freenet-Chef Christoph Vilanek wie auch in dem Statement von Gravis außen vor bleibt, ist allerdings die Frage nach eigenen strategischen Fehlern. Und auch Gravis-Gründer Archibald Horlitz, der auf LinkedIn ebenfalls das Aus für "sein" Handelsunternehmen betrauert und dabei auf Apple zeigt, muss sich fragen lassen, ob Freenet 2012 der geeignete Käufer für die Fachhandelskette war. Freenet sah Gravis stets als zusätzlichen Absatzkanal für seine Mobilfunkprodukte, führte die neue Positionierung als "Digital-Lifestyle-Provider" ein und verwässerte mit der Öffnung für andere Hersteller die klare Apple-Ausrichtung von Gravis. Auch wenn Gravis vieles probierte - von Same-Day-Delivery Services auf eBay über digitale Beratungslösungen am POS bis zum Start einer eigenen Smartphone-Serviceabteilung - wurde die Kette für die Kunden damit auch ein Stück weit beliebig. Eine andere Interpretation wäre, dass das Scheitern von Gravis trotz aller Digitalisierungs- und Modernisierungsprojekte schlicht und einfach ein Symptom für den generellen Niedergang des IT-Fachhandels ist.
So geht es nun weiter
Gegenüber dem "Spiegel" äußerte sich Freenet-Chef Vilanek auch dazu, wie es nun bis zum Jahresende bei Gravis weitergeht. Was das Aus der Gravis-Shops für die Kunden bedeutet, soll sich in den nächsten Wochen entscheiden. "Im Moment ändert sich für Kunden gar nichts", so der Freenet-Chef. Doch es werde bereits geplant, wie lange man beispieslweise Reparaturaufträge noch annehmen könne. Für die Mitarbeiter von Gravis verspricht Vilenaek in dem Interview möglichst großzügige Lösungen. "Alle Mitarbeiter haben Anspruch auf eine Abfindung und Auflösungsverträge, dieses Jahr erhalten alle auch noch den vollen Bonus und Prämien." Allerdings sei offen, ob und in welchem Umfang es auch betriebsbedingte Kündigungen geben werde.