Mehr Power, mehr Wärme: Für Handy-Akkus ist Schnellladen durchaus eine Herausforderung. Doch es gibt Lösungen.
Die Schnellladefunktion ist zweifellos eines der beliebtesten Trend-Features moderner Smartphones. Verständlich, denn tagsüber ist es mehr als praktisch, wenn man zum Vollladen keine Ewigkeit warten muss. Das Ganze geht inzwischen so weit, dass unter Herstellern ein regelrechter Wettstreit vorherrscht, wer die beste und stärkste Ladetechnologie liefern kann. Den aktuellen Rekord hält Xiaomi mit einer unfassbaren Ladeleistung von 120 Watt – damit laden Sie Ihr Handy in unter 20 Minuten komplett auf.
Was eigentlich sehr verlockend klingt, macht vielen Smartphone-Nutzern zunehmend Sorgen. Denn kann das für den Handy-Akku überhaupt noch gesund sein? Eine berechtigte Frage, der wir uns in diesem Beitrag widmen. Lesen Sie, was Schnellladen bei Ihrem Handy verursacht und ob es den Akku tatsächlich ruinieren kann oder nicht.
Das passiert beim Ladevorgang
Alle modernen Smartphones benutzen entweder Lithiumionen-Batterien oder Lithium-Polymer-Batterien (kurz: LiPo-Akkus). Die Zellchemie ist aber bei beiden die gleiche: Es gibt eine negative Elektrode (Kathode), eine positive Elektrode (Anode) und Elektrolyte. Die Energie, mit der ein Handy betrieben wird, entsteht, wenn die negativen Lithium-Ionen durch die Elektrolyte zur positiven Seite fließen. Ist der Akku leer, hört dieser Fluss auf. Beim Ladeprozess werden die Lithium-Ionen wieder zurück auf die negative Seite bewegt, damit der Zyklus von vorn beginnen kann.
Der Ladevorgang verläuft dabei nicht ausschließlich linear, weil Akkus wie eine Art Schwamm funktionieren: Sie absorbieren die meiste Energie, wenn sie leer sind, und nehmen weniger auf, wenn sie fast voll sind. Je näher also die Sättigung, desto ineffizienter die Ladung und desto flacher die Ladekurve. Die Ladespannung beginnt hingegen bei der maximalen Leistung und fällt dann relativ schnell ab.
Problem: Handy-Akkus bauen ab
Ob Schnellladen oder nicht: Alle Akkus nutzen sich über die Zeit ab. Das liegt daran, dass beim Fluss der Lithium-Ionen immer etwas Wärme abgegeben wird, auf die die chemischen Prozesse sehr empfindlich reagieren. Aus diesem Grund sollten Sie Ihr Handy auch nicht anstecken, wenn der Akku noch relativ voll ist, weil bei ineffizienter Ladung umso mehr Wärme frei wird.
Hinweis: Auf iPhones lässt sich dieser natürliche Verschleiß sogar einsehen. Unter Einstellungen > Batterie > Batteriezustand finden Sie dazu eine prozentuale Angabe der maximalen Akkukapazität, die noch zur Verfügung steht.
Hitze ist demnach der Hauptgrund, warum Akkus abbauen. Dieses Problem sehen viele Nutzer beim Thema "Schnellladefunktion", denn je mehr Spannung in den Akku fließt, desto mehr Wärmeüberschuss wird erzeugt. Bei akuter Überhitzung kann es sogar passieren, dass die Elektrolyte auskristallisieren und der Ionen-Strom zwischen den Elektroden komplett versagt. Aber – und das ist der springende Punkt – Hersteller wissen das natürlich. Darum gibt es auch eine Reihe wichtiger Vorkehrungen, die verhindern sollen, dass beim Schnellladen mehr Wärme als normal generiert wird.
Schnellladen erfordert neue Technologien
In den letzten Jahren wurden verschiedenste Schnellladestandards entwickelt, um die Übertragungsleistung der Netzteile zu erhöhen. Weit verbreitet ist zum Beispiel das Protokoll Quick Charge von Qualcomm, das ein Aufladen mit rund 30 Watt ermöglicht, genauso wie die Warp Charge 30-Technologie von OnePlus (aktuell schafft es Warp Charge auf 65 Watt). Ein anderer Standard ist beispielsweise VOOC Flash Charge von Oppo, das auch die Warp-Charge-Technik bei OnePlus ablöst, seitdem die beiden Unternehmen zu einem Konzern gehören. So kommt das neue OnePlus 10 Pro (im Test) aktuell mit der VOOC-Technik, die ganze 85 Watt möglich macht. Weitere Standards sind etwa USB-Power-Delivery, Adaptive Charge (Samsung) oder TurboPower (Motorola).
Zum Schutz der Handy-Akkus gibt es nun mehrere Wege und Möglichkeiten. Zu den gängigsten Lösungen zählen:
Netzteil mit integrierter Energieverwaltung
Paralleles Laden
Zusätzliche Kühlhardware
Viele Smartphones mit Schnellladefunktion werden mit Netzteilen ausgeliefert, die über integrierte Schaltkreise verfügen. Diese sorgen dafür, dass die Wärmeenergie entweichen kann, bevor sie in die Nähe des Telefons kommt. Nachteil dieser Lösung ist, dass die Adapter oft größer als gewöhnlich sind.
Eine andere Möglichkeit ist das parallele Aufladen. Die Idee ist simpel: Statt den kompletten Strom in eine einzelne Akkuzelle zu schicken, wird diese in zwei parallele Zellen aufgeteilt, die dann jeweils die Hälfte der Spannung abbekommen. Diese Lösung wird zum Beispiel bei der neuen HyperCharge-Technologie von Xiaomi angewendet. Die Kehrseite dieser Ladetechnologie ist eine etwas geringere Gesamtkapazität, schlicht deshalb, weil das Volumen zweier Akkuzellen samt Gehäuse und Hardware mehr Platz beansprucht.
Kühlhardware ist grundsätzlich immer eine Lösung, um Wärmeentwicklungen zu regulieren. Je besser das Kühlsystem, desto mehr Strom kann ins Gerät fließen, ohne dieses zu überhitzen. Möglichkeiten gibt es reichlich: Hitzeschilde, Dampfkammern, selbst ganze Lüfter (speziell bei Gaming-Smartphones) werden genutzt, um die Akkus vor zu hohen Temperaturen zu schützen.
Womit wir also zurück zur Ausgangsfrage kommen: Ruiniert Schnellladen die Handy-Akkus oder nicht? Funktionieren die aufgeführten Lösungen? Wie schnell muss ein Akku abbauen, um als „ruiniert“ zu gelten? Für Letzteres gibt es sogar offizielle Industriestandards: Xiaomi garantiert bei seinem 11T Pro (mit 120 Watt Schnellladung), dass nach 800 vollständigen Ladezyklen noch 80 Prozent der ursprünglichen Akkukapazität vorhanden sind. Apple verspricht eine Kapazität von 80 Prozent nach immerhin 500 Ladezyklen. Und dann wäre da noch Oppo. Anfang Februar stellte der chinesische Hersteller zwei neue Schnellladestandards vor, die alle bisherigen Grenzen sprengen: die 150-W-SuperVOOC-und die 240W-SuperVOOC-Technologie. Erstere soll beim neuen Flaggschiff Find X5 Pro+ zum Einsatz kommen – mit 80 Prozent Akkukapazität nach sage und schreibe 1600 Ladezyklen.
Unser Fazit: Ruiniert Schnellladen den Handy-Akku oder nicht?
Ohne Langzeitstudien lässt sich das zwar nicht final beantworten, aber bisher weist alles darauf hin, dass Schnellladen den normalen Verschleiß eines Akkus nicht beschleunigt. Fakt ist aber auch, dass Schnellladen durch die höheren Wattzahlen mehr Wärme erzeugt, vor der das Telefon geschützt werden muss. Dazu bedienen sich die Hersteller verschiedener Maßnahmen, die darauf abzielen, das Energiemanagement zu verbessern – sei es durch optimierte Netzteile, paralleles Laden oder smarte Hardware und Sensoren zur Regulierung von Temperaturschwankungen.
Den größten Einfluss auf die Akkulebensdauer haben tatsächlich die Nutzer selbst. Hier sind die wichtigsten Kurztipps, wie Sie Ihren Handy-Akku länger fit halten:
Laden Sie, wenn möglich, immer mit Kabel, auch wenn Ihr Telefon induktives Laden anbietet.
Vermeiden Sie Komplettentladungen. Der optimale Akkustand liegt im Bereich 20 bis 80 Prozent.
Laden Sie Ihren Akku nicht auf, wenn er noch relativ voll ist (über 60 Prozent).
Meiden Sie extreme Temperaturschwankungen, egal ob Hitze oder Kälte.
Nutzen Sie immer das vom Hersteller mitgelieferte Ladezubehör (Netzteil, Ladekabel).
Laden Sie Ihr Handy nicht, wenn leistungsintensive Apps oder Spiele laufen.
Lassen Sie Ihr Handy nicht länger als nötig angesteckt, wenn der Akku voll aufgeladen ist.