Die Corona-Pandemie hat dem bargeldlosen Bezahlen einen Schub gegeben. Setzt sich diese Entwicklung fort? Ein Blick in die Zukunft des Bargelds.
Deutschland ist traditionell ein Land, in dem Bargeld einen hohen Stellenwert hat. Während in Ländern wie Schweden oder Frankreich bereits heute bis zu 80 Prozent der Transaktionen bargeldlos ablaufen, sind es in Deutschland nur 23 Prozent. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom stellt das jedoch eine fünfprozentige Steigerung zum Vorjahreswert dar.
Bitkom-Chef fordert flächendeckende Bezahlmöglichkeiten
Die Corona-Pandemie hat einem kontakt- beziehungsweise bargeldlosen Bezahlen großen Vorschub geleistet: 85 Prozent der Bevölkerung haben Anfang des Jahres mindestens einmal bargeldlos bezahlt - eine Steigerung von sechs Prozent. Die wachsende Bedeutung kontaktlosen Bezahlens bestätigt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: "Kontaktloses Bezahlen ist seit Beginn der Corona-Pandemie zum absoluten Standard geworden - und wird das auch bleiben. Es ist bequem, schnell und mit Smartwatch oder Smartphone dank biometrischer Schutzmaßnahmen wie Fingerabdruck-Scanner besonders sicher."
Fast zwei Drittel der Befragten (60 Prozent) geben an, dass es sie stört, wenn man beim Bezahlen nicht die Wahl hat. Eine Mehrheit von 57 Prozent der Befragten spricht sich deshalb dafür aus, dass die Möglichkeit zum bargeldlosen Bezahlen verpflichtend angeboten werden sollte. Bitkom-Chef Rohleder: "Es ist überfällig, dass Kundinnen und Kunden überall echte Wahlfreiheit beim Bezahlen bekommen. Digitales und kontaktloses Bezahlen sollte flächendeckend genauso akzeptiert werden wie Cash."
Technische Möglichkeiten vielfältig - welcher Standard setzt sich durch?
Für viele Menschen bedeutet bargeldloses Bezahlen heute das Nutzen ihrer EC-Karte: kurz auflegen, den Pieps abwarten, fertig. Lediglich bei größeren Beträgen fragt das Lesegerät den PIN-Code ab. Seit einigen Jahren sind auch Sofortüberweisungen im Internet möglich, die Bestellung auf Amazon oder Lieferando wickeln viele Kunden in Echtzeit mit Services wie "Klarna" ab. Dazu kommt die ungeklärte Rolle von Kryptowährungen, die als vollwertiges Zahlungsmittel weiterhin auf ihren Durchbruch warten.
Auch Unwegsamkeiten mit Technik, Patenten und Firmeninteressen gibt es zu bedenken: Die heute in Smartphones, Smartwatches und Tablets verbauten NFC-Chips ("Near Field Communication", Nahfeldkommunikation) funktionieren nach dem Bankkarten-Prinzip, also das eigene Gerät nah an einen Empfänger halten und so bezahlen. Das Problem: Hersteller wie Apple erlauben das Nutzen ihrer NFC-Chips aktuell nur, wenn der Bezahlvorgang über den hauseigenen Service "Apple Pay" abgewickelt wird.
Unternehmen und Politik ringen um die Rahmenbedingungen
Die EU-Kommission sieht darin einen Wettbewerbsverstoß und versucht, Apple zur Öffnung seines NFC-Chips zu zwingen. Laut der Nachrichtenagentur "Reuters" könnte eine empfindliche Strafzahlung sowie die verpflichtende Öffnung der Apple-Schnittstelle bevorstehen - allerdings wird eine Anklage frühestens 2022 erhoben. In Deutschland hat die scheidende Regierung eine solche Gesetzesinitiative bereits 2019 angestoßen, sie kam jedoch nie zum Abschluss. Deshalb nutzen inzwischen selbst Sparkassen "Apple Pay", obwohl auch sie anfangs an eine Öffnung der NFC-Chips appellierten.
Auch abseits technischer Fragen bleibt das Thema politisch brisant. Die Kritik am Bargeld: Dass das Bezahlen mit großen Bargeldsummen in Deutschland problemlos möglich ist, seien ideale Voraussetzungen für Geldwäsche aller Art. Bis Kundinnen und Kunden wie von Bitkom-Chef Rohleder gefordert, flächendeckend und mit den Geräten ihrer Wahl bargeldlos bezahlen können, dürfte es also noch eine ganze Weile dauern.