In Sachen Digitalisierung hinkt Deutschland oft hinterher. Nun gibt es immerhin einen neuen Beschluss: Das schlimmste Schneckentempo bei Festnetz-Verbindungen soll bald ein Ende haben.
Berlin (dpa) - Wer daheim nur sehr langsames Internet bekommt, der kann ab Sommer 2022 bei einer Bundesbehörde auf eine bessere Verbindung pochen.
Der Bundesrat nahm am Freitag eine Novelle des "Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes" an, das die Rechte der Verbraucher stärkt. Mit dem grünen Licht der Länderkammer ist das Gesetz in trockenen Tüchern. Ein zentraler Punkt der umfassenden Reform ist ein "Recht auf schnelles Internet", mit dem erstmals ein Anspruch auf Breitband-Internet festgelegt wird.
Die Höhe der Untergrenze ist noch unklar - vermutlich wird die Bundesnetzagentur Vorgaben zum Download, Upload und zur Reaktionszeit (Latenz) berechnen. Die Untergrenze beim Download wird sehr wahrscheinlich weniger als 20 Megabit pro Sekunde sein. Wirklich schnell wird es durch die neue Vorgabe also nicht - nur auf dem Land und am Stadtrand könnte die neue Mindestvorgabe künftig zu einer Verbesserung führen.
Kritiker wie die Linken-Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg werten die Reform als halbherzig, die Politikerin plädiert für eine Untergrenze von 100 Megabit pro Sekunde im Download. Im Vergleich zur vorigen gesetzlichen Regelung ist es aber ein deutlicher Schritt nach vorn: Bisher hatte jeder Bundesbürger nur das Recht auf einen "funktionalen" Internetzugang - selbst ein 56-Kilobit-Schneckentempo reichte aus, um so einem Anspruch Genüge zu tun. So ein Relikt aus den 90er Jahren, als sich die Internetverbindungen noch quietschend bemerkbar machten, wird nun also endlich zu den Akten gelegt.
Die Untergrenzen werden zukünftig einmal im Jahr neu berechnet. Beamte nehmen den Durchschnittswert davon, in welchem Tempo ein gewisser Teil der Internetnutzer unterwegs ist. Weil die Nachfrage nach Highspeed-Internet steigt und immer mehr Verbraucher in Zeiten von Homeoffice und Homeschooling bessere Tarife buchen, wird dieser Durchschnittswert in den kommenden Jahren steigen - die neue Untergrenze ist bei ihrem Start im Juni 2022 also noch niedrig, sie wird aber Schritt für Schritt steigen.
Verbraucher, deren Internet daheim langsamer ist als das gesetzlich vorgeschriebene Minimum, können sich also bald bei der Netzagentur beschweren. Die prüft dann die Lage. Ist der Anschluss tatsächlich so mies wie vom Verbraucher beschrieben, muss er verbessert werden - so viel ist durch die neue Gesetzesvorgabe sicher.
Die Behörde schaut dann, ob in dem Gebiet bald ohnehin ein Ausbau geplant ist, etwa mit staatlichen Fördergeldern. Ist das nicht der Fall, beauftragt sie ein Telekommunikationsunternehmen mit einem besseren Internetzugang für das betroffene Haus. Zahlen muss dies wiederum die Telekommmunikationsbranche insgesamt - also die Netzbetreiber und andere Internetanbieter. Im kleinen Maßstab können auch Internetfirmen wie Facebook herangezogen werden, wenn ihre Dienste in direkter Konkurrenz zu den hiesigen Anbietern stehen - etwa durch ihre Messenger-Kommunikationsplattformen. Ob letzteres wirklich gemacht wird, ist aber offen.
Lange wurde um das "TKG" gerungen, nun ist es verabschiedet. Vertreter der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen waren erleichtert. "Mit diesem Gesetz schaffen wir gleichwertige Lebensverhältnisse", erklärte der für digitale Infrastruktur zuständige Bundesminister Andreas Scheuer (CSU). "Egal, ob ich mich für ein Leben auf dem Land oder in der Stadt entscheide, künftig haben alle ein gesetzlich verankertes Recht auf schnelles Internet." Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wertete positiv, dass die Rechte des Verbrauchers gestärkt werden.
Der CSU-Bundestagabgeordnete Ulrich Lange sagte: "Für die Internetversorgung zu Hause wird der Rechtsanspruch auf schnelles Internet zukünftig eine Grundversorgung sicherstellen." Videokonferenzen über stabile Verbindungen müssten Standard sein.
Vom Glasfaserverband Breko kam hingegen Kritik. Die neue Regelung zum Rechtsanspruch auf schnelles Internet sei "kein Ausbaubeschleuniger", monierte das Branchensprachrohr. "Der eigenwirtschaftliche Ausbau, flankiert von einer umsichtigen Anreiz- und Förderpolitik, bringt uns schneller ans Ziel als jede staatliche Ausbauverpflichtung, die die ohnehin schon knappen Tiefbaukapazitäten bindet." Um besonders schlecht versorgten Haushalten die digitale Teilhabe schnell zu ermöglichen, sollten unbedingt auch funkgestützte Lösungen wie die Satellitenkommunikation genutzt werden.
Das nun abgesegnete Reformpaket enthält noch gesetzliche Vorgaben, um den Druck auf die Netzbetreiber zum guten flächendeckenden Mobilfunk-Internetausbau zu erhöhen. Außerdem dürfen TV-Fernsehkosten für Kabelverträge ab Juli 2024 nicht mehr auf die Nebenkostenabrechnung umgelegt werden - die Mieter müssen dann Einzelverträge abschließen, die Kabel-Sammelverträge über den Vermieter sind dann Geschichte. Nur wenn das Internet im Haus mit Glasfaser verbessert wird, dürfen Mieter über die Nebenkostenabrechnung an solchen Kosten beteiligt werden.
Daumen rauf zu der umfangreichen Reform signalisierte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU): "Bund und Länder haben heute auf der Großbaustelle Glasfaserausbau einen beachtlichen Fortschritt erzielt."