Die Zahl der täglich registrierten Corona-Neuinfektionen ist inzwischen fünfstellig. Die Bundesregierung warnt vor den Folgen und ruft die Bürger zur Mithilfe auf. Gleichzeitig gehen Gegner der Corona-Maßnahmen in Berlin auf die Straße.
Berlin (dpa) - Mit eindringlichen Appellen an die Bevölkerung haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der selbst infizierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erneut um Mithilfe bei der Eindämmung der Corona-Pandemie gebeten.
"Bitte helfen Sie weiter mit und hören Sie nicht auf diejenigen, die verharmlosen und beschwichtigen. Es ist ernst", sagte Spahn in einem am Sonntag auf seiner Facebookseite veröffentlichten Video.
Merkel hatte einen Tag zuvor in ihrem Videopodcast ihren Appell aus der Vorwoche wiederholt und die Menschen darum gebeten, auf Reisen und Kontakte zu verzichten. Angesichts dramatisch wachsender Corona-Zahlen wackelt auch der Anfang Dezember geplante CDU-Parteitag, bei dem ein Nachfolger von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt werden soll.
Aus Protest gegen die staatlichen Corona-Beschränkungen gingen am Sonntag in Berlin Demonstranten auf die Straße. Die Polizei sprach von rund 2000 Menschen, die sich auf dem Alexanderplatz in Berlin-Mitte versammelten. Eine für den späten Nachmittag geplante weitere Demonstration wurde von den Veranstaltern abgesagt. Dafür waren 10.000 Teilnehmer angemeldet worden.
Auch ein Vorfall aus der Nacht zu Sonntag beschäftigte die Berliner Polizei: Unbekannte hatten ein Gebäude des Robert Koch-Instituts (RKI) nach Polizeiangaben mit Brandsätzen attackiert. Die Flammen konnten demnach gelöscht werden. Ermittelt werde in alle Richtungen, sagte eine Polizeisprecherin, auch eine politische Motivation werde geprüft. Das für Infektionskrankheiten zuständige Institut spielt in der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle.
Ein Anlass für die Demonstrationen in Berlin war unter anderem die Gesundheitskonferenz "World Health Summit", die ursprünglich im Veranstaltungszentrum Kosmos geplant war, aber wegen der Corona-Lage online stattfindet. Zur Eröffnung rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Staatengemeinschaft im Kampf gegen Corona und besonders beim Thema Impfstoff zur Zusammenarbeit auf. "Wenn wir nach der Pandemie nicht in einer Welt leben wollen, in der der Grundsatz "Jeder gegen jeden, und jeder für sich" noch mehr Raum greift, dann brauchen wir die aufgeklärte Vernunft unserer Gesellschaften und unserer Regierungen", sagte er in einer Videoansprache. Die Pandemie müsse mit einem Geist der Zusammenarbeit, nicht im Geist des "Impfstoffnationalismus" überwunden werden.
Die Corona-Infektionszahlen steigen unterdessen rasant: Am Sonntagmorgen meldete das RKI unter Berufung auf Zahlen der Gesundheitsämter 11.176 neue Infektionen innerhalb eines Tages. Am Tag zuvor waren es 14.714. An Sonntagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, auch weil am Wochenende weniger getestet wird und nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln.
Merkel sagte in ihrem am Samstag veröffentlichten Videopodcast: "Das Gebot der Stunde heißt für uns alle: Kontakte reduzieren. Viel weniger Menschen treffen." Spahn sagte: "Wir wissen, was dieses Virus anrichten kann, gerade bei Menschen mit Vorerkrankungen und bei den Älteren, den Höchstbetagten". Auch bei jüngeren könne es zu schweren und schwersten Verläufen kommen. "Deshalb geben Sie weiter aufeinander acht." Man brauche jetzt einen Kraftakt: "Mithelfen, konsequent sein, zusammenhalten".
Spahn war am Mittwoch als erster Bundesminister positiv auf Corona getestet worden. Er hat nach eigenen Angaben bisher nur Erkältungssymptome. Neben dem CDU-Politiker wurde mit den Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Martin Jäger, bisher ein weiteres Regierungsmitglied positiv auf Corona getestet.
In der Wirtschaft wächst die Angst vor einem erneuten großflächigen Stillstand. Der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands BGA, Anton Börner, forderte daher "ein noch viel stärkeres Herunterfahren des öffentlichen Lebens". Der "Bild am Sonntag" ("BamS") sagte er: "Je länger wir damit warten, umso größer wird der Schaden für die Gesundheit der Menschen und auch für die Wirtschaft. Lieber jetzt entschlossen handeln, auch wenn es schmerzhaft ist, damit uns nicht die Zeit davonrennt."