Nach der Demonstration gegen die Corona-Regeln am 1. August in Berlin wollten die Protestierer noch einen draufsetzen: Es sollten noch mehr Menschen gegen Masken und Abstände auf die Straße gehen. Der Senat macht da nicht mit. Das letzte Wort hat so wieder mal die Justiz.
Berlin (dpa) - Die Entscheidung kam überraschend und hat heftige Kontroversen ausgelöst: Eine für Samstag geplante große Demonstration gegen die Corona-Politik in Berlin und weitere kleinere Kundgebungen hat die Polizei verboten.
Zur Begründung hieß es von Innensenator Andreas Geisel (SPD), die letzte ähnliche Demonstration am 1. August habe gezeigt, dass Demonstranten "sich bewusst über bestehende Hygieneregeln und entsprechende Auflagen" hinwegsetzten. Daher sei auch jetzt wieder "mit Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung zu rechnen".
Die Veranstalter-Initiative Querdenken 711 aus Stuttgart reagierte empört und kündigte Einspruch beim Berliner Verwaltungsgericht und weiteren Instanzen an. Man gehe davon aus, dass man demonstrieren werde. Unterstützung erhielt sie von der AfD im Bundestag. Zur größten Kundgebung am Wochenende hatte die Initiative für Samstagnachmittag 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet.
Die Polizei verbot insgesamt zehn Demonstrationen und Kundgebungen von verschiedenen Querdenken-Initiativen und privaten Anmeldern am Freitag, Samstag und Sonntag. Ob die große Demonstration am Samstag stattfindet oder nicht, wird voraussichtlich ein Gericht erst kurz vorher entscheiden. Die Polizei ist nach eigenen Angaben auf alle möglichen Varianten vorbereitet. Ein Sprecher des Innensenators kündigte an, man werde auch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen, um das Verbot durchzusetzen.
Am 1. August waren in Berlin Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Weil viele Demonstranten weder die Abstandsregeln einhielten noch Masken trugen, löste die Polizei die Kundgebung auf. Danach wurde über die Zahl der Teilnehmer heftig gestritten: Während die Polizei von 20.000 sprach, war auf der Kundgebungsbühne erst von 800.000, dann von 1,3 Millionen Menschen die Rede.
Innensenator Geisel betonte nun: "Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz." Man müsse zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Gleichzeitig betonte Geisel: "Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird."
Die Initiative Querdenken 711 und die AfD warfen dem Senator daraufhin vor, eine ihm missliebige Demonstration aus politischen Gründen verbieten zu wollen. Der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, schrieb, es gehe Geisel "nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, die seine eigene Polizeibehörde nicht teilt, sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer". Mit der Polizei habe man nämlich "die Problematik der Hygienekonzepte gut und kooperativ miteinander abgestimmt".
Der Rechtsanwalt der Initiative, Ralf Ludwig, sagte in einem Video: "Wir werden vors Verwaltungsgericht gehen, wir werden natürlich auch im Zweifel das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn nicht bereits auf Ebene des Verwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts dieser Bescheid aufgehoben wird." Bis zum Nachmittag ging beim Berliner Verwaltungsgericht keine Beschwerde gegen die Verbotsverfügung ein.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, twitterte: "Hätte man so auch entschieden, wenn sich die Demos "GEGEN RECHTS" gerichtet hätten? Grundrechte werden inzwischen nur noch dem zugesprochen, der sich wohlwollend gegenüber der Regierungspolitik verhält!" Der AfD-Innenpolitiker im Bundestag, Gottfried Curio, kritisierte, das Verbot sei eine "offene Abschaffung der Grundrechte".
Im Internet erschienen Aufrufe, am kommenden Wochenende trotzdem in die Hauptstadt zu reisen und zu protestieren. Teilweise wurde dabei Gewalt und politischem Umsturz gefordert. Auch Waffen seien ab jetzt zur Gegenwehr erlaubt, hieß es etwa im Messenger-Dienst Telegram. Es wird zum "Sturm auf Berlin" angestachelt, rechtsextreme Influencer rufen zu Reisen in die Hauptstadt auf.