Joe Biden ist jetzt auch offiziell Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten. Der 77-Jährige verspricht, im Falle eines Wahlsiegs gegen Amtsinhaber Trump der Präsident aller Amerikaner zu sein - und sie in eine bessere Zeit zu führen. Wilmington (dpa) - Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden zieht in das Rennen ums Weiße Haus mit dem Versprechen, die Corona-Krise in Griff zu bekommen und Amerika wieder zu vereinen. "Der gegenwärtige Präsident hat Amerika viel zu lange in Dunkelheit gehüllt", sagte Biden bei der Annahme der Nominierung in der Nacht mit Blick auf Amtsinhaber Donald Trump. "Zu viel Wut. Zu viel Angst. Zu viel Spaltung." Er selbst sehe ein anderes Amerika: "Eins, das großzügig und stark ist." Für Biden, den Vize von Präsident Barack Obama (2009-2017), war die Ansprache zum Abschluss des Parteitags die wichtigste Rede seiner jahrzehntelangen politischen Karriere. Der 77-Jährige musste die Amerikaner auch davon überzeugen, dass er nicht der "schläfrige Joe" ist, wie Trump ihn immer nennt. Biden wirkte sicher und sprach mit fester Stimme. Biden tritt im November gegen Trump (74) an, der kommende Woche beim Parteitag der Republikaner als Präsidentschaftskandidat nominiert werden soll. Biden versprach, sich für alle Amerikaner einzusetzen. "Während ich ein Kandidat der Demokraten sein werde, werde ich ein amerikanischer Präsident sein", betonte er. "Ich werde für diejenigen, die mich nicht unterstützt haben, genauso hart arbeiten wie für diejenigen, die mich unterstützt haben." Biden sagte zu, "am ersten Tag" seiner Amtszeit einen Plan zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie vorzustellen. Dabei solle es auch eine landesweite Pflicht geben, Masken über Mund und Nase zu tragen, um Infektionen zu verhindern. Das solle keine Last sein, sondern dem Schutz anderer dienen. "Es ist eine patriotische Pflicht." Ohne die Eindämmung des Virus könne sich auch die Wirtschaft nicht wieder erholen, betonte Biden. Das habe Trump immer noch nicht verstanden. Trumps Vize Mike Pence verteidigte das Vorgehen Trumps in der Pandemie. Er sei stolz, wie der Präsident vom ersten Tag an die Anstrengungen in der Corona-Krise angeführt habe, sagte Pence im Sender Fox News. Unter anderem habe Trump bereits im Februar dafür gesorgt, dass es zum Jahresende eine Impfung geben soll. Insgesamt hätten die Demokraten bei ihrem Parteitag ein Bild von Amerika gezeichnet, das "sehr negativ, sehr feindselig" gewesen sei, kritisierte der Vizepräsident. Biden versprach auch, die von der Corona-Krise gebeutelte Wirtschaft wieder anzukurbeln und dabei Millionen neue Jobs zu schaffen. Er sagte zu, sich der "existenziellen Bedrohung" des Klimawandels zu stellen. Nötige Investitionen könnten finanziert werden, indem die von Trump durchgesetzten Steuersenkungen für Vermögende rückgängig gemacht würden. Biden verpflichtete sich dazu, den Gesundheitssektor und das Sozialversicherungssystem der USA zu stärken. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz will Biden sich zudem mit Nachdruck dafür einsetzen, den "strukturellen Rassismus" in den USA auszumerzen. Trump warf Biden vor, den Wählern nur leere Versprechen zu machen. Unmittelbar nach dessen Rede schrieb der US-Präsident auf Twitter, Biden habe in seinen fast fünf Jahrzehnten als Politiker in Washington nichts von den Dingen gemacht, über die er jetzt als Kandidat rede. "Er wird sich nie ändern, nur Worte!" Biden beklagte die mehr als 170.000 Toten in der Corona-Pandemie in den USA. "Unser derzeitiger Präsident hat in seiner grundlegendsten Pflicht gegenüber der Nation versagt. Er hat uns nicht beschützt. Er hat Amerika nicht beschützt", sagte Biden. "Das ist unverzeihlich." Als Präsident werde er den Amerikanern ein Versprechen geben: "Ich werde Amerika beschützen, ich werde uns gegen jede Attacke - sichtbar oder unsichtbar - verteidigen, immer, ohne Ausnahme, jedes Mal." Biden sagte: "Möge die Geschichte sagen können, dass das Ende dieses Kapitels der amerikanischen Finsternis heute Abend hier begann." Amerika sei an einer Wegscheide: "Diese Wahl wird Leben verändern und Amerikas Zukunft für eine sehr lange Zeit bestimmen." Biden hielt die Rede in seinem Wohnort Wilmington (Delaware). Der Parteitag fand wegen der Corona-Pandemie in stark komprimierter Form und weitgehend virtuell statt. Biden liegt in landesweiten Umfragen vor Trump. Die Erhebungen haben aber wegen des komplizierten Wahlsystems nur begrenzte Aussagekraft. Biden, der zum moderaten Flügel der Partei gehört, zieht mit der Senatorin Kamala Harris als Vize-Kandidatin in die Wahl. Im Falle eines Sieges wäre die 55-Jährige die erste Frau und Schwarze auf dem Vizepräsidentenposten. Bei dem Parteitag gelang es den Demokraten anders als 2016, Einheit zu demonstrieren. Als besonders wichtig galt dabei der Appell des linken Senators Bernie Sanders, Biden zu unterstützen. "Bei dieser Wahl geht es um den Erhalt unserer Demokratie", sagte Sanders zum Auftakt des Parteitags. Die drei demokratischen Ex-Präsidenten Obama (59), Bill Clinton (74) und Jimmy Carter (95), warben für die Wahl von Biden. Obama, dessen Stimme noch immer viel Gewicht hat, stellte Trump als Gefahr für die Demokratie dar und warf ihm Versagen und Machtmissbrauch vor. Es war nicht nur eine unübliche Abrechnung mit seinem direkten Nachfolger, sondern auch eine düstere Warnung an die Wähler. Trump bestritt während des Parteitags der Demokraten seinerseits mehrere Wahlkampfauftritte. Am Donnerstag griff er die Demokraten unweit des Geburtsortes von Biden in Pennsylvania heftig an. Sie würden bei einem Wahlsieg im November die Wirtschaft ruinieren, die Polizei abschaffen und das Land in Anarchie stürzen, warnte Trump. Sie seien "komplett wahnsinnig".