Fotos über WhatsApp teilen oder Geld überweisen über eine Banking-App - viele Ältere nutzen digitale Technik genau wie Junge, aber vielen bleibt sie auch ein großes Rätsel. Eine Sachverständigenkommission fordert von der Politik, alle Senioren bei dem Thema mitzunehmen.
Berlin (dpa) - Experten sehen in der älteren Bevölkerung in Deutschland eine starke "digitale Spaltung".
"Der Zugang zu und die Nutzung von digitalen Angeboten sind innerhalb der Gruppe der älteren Menschen je nach Bildungsstand und Einkommen ungleich verteilt - deutlich ungleicher als zwischen jüngeren Menschen", heißt es im "Achten Altersbericht" für die Bundesregierung. Über ihn beriet am Mittwoch das Bundeskabinett, anschließend wurde er in Berlin vorgestellt.
"ES GEHT NICHT NUR UM SKYPEN MIT DEN ENKELKINDERN"
Die Sachverständigenkommission aus Forschern mehrerer Fachrichtungen, die den Bericht erstellt hat, fordert die Bundesregierung auf, dem Thema Alter in ihrer Digitalstrategie "weit mehr Gewicht als bisher beizumessen".
In jeder Wahlperiode wird ein solcher Altersbericht einmal erstellt, jeweils mit einem bestimmten Schwerpunktthema. Diesmal war es die Digitalisierung. Laut Bundesfamilienministerium sind die Empfehlungen eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Seniorenpolitik der Regierung.
Man werde diese aufnehmen und umsetzen, sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch. "Es geht nicht nur um das Skypen mit den Enkelkindern oder Einkaufen übers Internet." Es gehe um echte Teilhabe oder Zugang zu Informationen für ältere Menschen.
INTERNET FÜR ALLE ÄLTEREN MENSCHEN
Die Sachverständigen sprechen sich konkret für einen Internetzugang für alle Wohnformen älterer Menschen aus, ob zu Hause oder im Pflegeheim. Zudem sollten Bund, Länder und Kommunen kostenfreies Internet im öffentlichen Raum bereitstellen und alte Menschen, die von Grundsicherung oder wenig Einkommen leben, sollten Internet und die Anschaffung digitaler Technik staatlich gefördert bekommen.
Der Leiter der Altersberichtskommission, Andreas Kruse, sprach von einem "Grundrecht" und von "digitaler Daseinsvorsorge". Es gehe darum, dass Menschen in höherem Lebensalter ein gutes Leben führen könnten. Die Corona-Krise habe gezeigt, wie bedeutsam eine gute digitale Ausstattung sei, etwa für soziale Kontakte oder Dienstleistungen.
"TANZTEE, SKAT UND KAFFEE" ODER "KAFFE, KUCHEN, TABLET"?
Nach Ansicht des Heidelberger Professors für Psychologie und Altersforschung ist das Alter, wie vielleicht von vielen befürchtet, auch keine automatische Hürde, wenn es darum geht, sich mit der Technik vertraut zu machen. Hier gelte, dass Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Gehirns auch in hohem Lebensalter so erhalten seien, dass Menschen dazu in der Lage seien, sagte Kruse.
Ältere Menschen und Internet widersprächen sich nicht, sagte Giffey. Sie regte an, dass auf kommunaler Ebene beispielsweise bei Bildungsangeboten oder Seniorentreffs das Thema Digitalisierung eine stärkere Rolle spielen sollte. Statt "Tanztee, Skat und Kaffee", könne es auch einmal darum gehen, wie ein Zug oder ein Bürgeramtstermin über das Internet gebucht werde. Als Beispiel nannte die SPD-Politikerin die Veranstaltung eines Pflegeheims, dass sie vor der Corona-Krise besucht habe, die regelmäßig unter dem Titel "Kaffee, Kuchen, Tablet" angeboten worden sei.
Das mit dem "Kaffee, Kuchen, Tablet" findet auch Ex-SPD-Chef Franz Müntefering eine "tolle Sache", wie er am Mittwoch sagte. Der 80-Jährige ist seit 2015 Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und nahm ebenfalls Stellung zum neuen Altersbericht. Ältere Menschen, die bisher nicht viel mit der Technik zu tun hatten, erreicht man bei dem Thema seiner Ansicht nach nicht "per Direktive von oben", sondern nur auf lokaler Ebene in kleinen Runden, wenn "einer den anderen davon überzeugt, dass das schön ist, wenn man das kann".
Beim richtigen Umgang mit Smartphones müssen nach Münteferings Ansicht aber alle Altersgruppen noch lernen. "Wenn ich mich an einen Tisch setze zum Essen und meine Kontrahenten, die mit da sitzen oder Freunde, die packen gleich das flache Ding aus und sind dann eine Stunde lang zu erreichen für die ganze Welt, ist mein Spaß vorbei." Eventuelle kritische Blicke von Opa und Oma zeigten da auch eine gewisse Sensibilität für das, was wichtig sei zwischen Menschen, sagte Müntefering.
CORONA TREIBT DIGITALISIERUNG VORAN - AUCH BEI DEN SENIOREN
Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich für viele ältere Menschen das Bild von der Digitalisierung gewandelt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die im Juli 2020 durchgeführt wurde. Zwei von fünf Bundesbürgern ab 65 Jahren (40 Prozent) sagen, dass sie der Digitalisierung seitdem positiver gegenüberstehen. Ein Viertel der Senioren (23 Prozent) sieht die Digitalisierung hingegen negativer als zuvor. "Das Internet kann vor allem für ältere Menschen von großem Nutzen sein", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. "Gerade für Senioren als durch Covid-19 besonders gefährdete Personen sind digitale Technologien ganz entscheidend, um die Verbindung zu Familie und Freunden halten zu können."
Fast alle Internetnutzer ab 65 Jahren (92 Prozent) waren positiv überrascht von den Möglichkeiten, die das Internet während der Corona-Krise bietet. Nur sechs Prozent zeigten sich enttäuscht. Mehr als die Hälfte der älteren Onliner (58 Prozent) sagt zudem: Das Internet hat mir geholfen, besser durch die Corona-Krise zu kommen. Zwei von fünf (38 Prozent) haben primär über das Internet den Kontakt zu Verwandten, Freunden und Bekannten gehalten, etwa per Messengerdienst, Videotelefonat oder E-Mail.