Der Ausgang der Stichwahl um die Präsidentschaft in Polen ist vorerst offen. Nach Prognosen hat Amtsinhaber Andrzej Duda einen hauchdünnen Vorsprung vor seinem Rivalen Rafal Trzaskowski. Doch ein Sieger steht noch nicht fest - auch wenn Duda bereits eine Siegesrede anstimmt.
Warschau (dpa) - Gerade hatten die ersten Prognosen am Wahlabend auf einen ungewissen Ausgang des Rennens um das höchste Staatsamt in Polen verwiesen. 50,4 Prozent für Amtsinhaber Andrzej Duda, 49,6 Prozent für seinen Herausforderer Rafal Trzaskowski.
Ein hauchdünner Unterschied von 0,8 Prozentpunkten - für Polens Fernsehstationen zu wenig, um einen der beiden zum Sieger auszurufen. Und doch klang der Beginn von Andrzej Dudas Rede ein wenig so, als hätte er sie für eine andere Situation auswendig gelernt - für den sicher geglaubten Sieg. "Lang lebe Polen! Die Wahl bei einer Beteiligung mit 70 Prozent zu gewinnen, ist eine außergewöhnliche Nachricht. Ich bin berührt. Danke an meine Landsleute", sagte der Präsident am Wahlabend in Pultusk, etwa 60 Kilometer nördlich von Warschau. Die Kamera zeigte unterdessen verdutzte und versteinerte Gesichter der Führungsmannschaft von Polens nationalkonservativer Partei PiS, die Duda im Wahlkampf unterstützt hatte. Schnell schwenkte Duda um: "Es lebe Polen! Es lebe Polen!" rief er mehrfach von der Bühne. Später sprach er etwas gedämpfter von "einem Sieg, momentan noch nach Prognosen."
Die PiS ist das Siegen in Polen mittlerweile gewohnt. Seit 2015 regiert sie das Land mit absoluter Mehrheit und stellt auch den Präsidenten. Die Parlamentswahl im Herbst gewann sie mühelos. Da ist es eine Überraschung, dass nun der Rivale Rafal Trzaskowski plötzlich Duda so gefährlich nahe kommt.
Auch Trzaskowski gibt sich am Wahlabend siegessicher. "Wir haben gesagt, dass es eng wird, und es ist eng. Ich bin aber überzeugt, dass wir siegen werden." Nun müssten nur noch die Stimmen genau ausgezählt werden, sagte der 48-Jährige.
Der Oberbürgermeister von Warschau ist als Nachnominierter in dieses Rennen gegangen und hat einen kometenhaften Start hingelegt. Am Wahlabend erinnerte er nicht ganz ohne Häme daran, dass die PiS ursprünglich trotz Corona-Pandemie auf Biegen und Brechen am Wahltermin im Mai festhalten wollte. Damals führte Duda mit zweistelligem Vorsprung vor allen anderen Mitbewerbern. Doch am Ende gab es einen fürchterlichen politischen Krach im Regierungslager - und die Abstimmung wurde verschoben.
Das war Trzaskowskis Chance. Als Kandidat der liberalkonservativen "Bürgerkoalition" (KO) versprach er einen Politikwechsel. Sein Motto: "Wir haben genug!". Sollte heißen: Genug von der Herrschaft der PiS. Er warb damit, Polens angeschlagenes Verhältnis zur EU wieder ins Lot zu bringen. Die umstrittene Justizreform der PiS will er stoppen.
Der 48 Jahre alte Jurist Duda präsentierte sich als Garant für die vielen Sozialleistungen, die die PiS in den vergangenen Jahren eingeführt hat. Zuletzt setzte er auch auf anti-deutsche Töne und kritisierte die aus seiner Sicht einseitige Berichterstattung deutscher Medien über die Präsidentenwahl. Nach Einschätzung von Beobachtern zielte Duda damit auf Wähler vom rechten Rand.
Das Duell von Duda und Trzaskowski mobilisierte die Wähler in beiden Lagern. Laut Prognosen lag die Wahlbeteiligung mit 68,9 Prozent deutlich höher als bei der Präsidentenwahl 2015. Nun muss eine genaue Stimmauszählung zeigen, wem das genutzt hat. Das offizielle Ergebnis der Wahlkommission wird frühestens am Montagabend erwartet.
In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre lang. Das Staatsoberhaupt repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Ministerpräsidenten sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Außerdem kann er mit seinem Veto-Recht Gesetzentwürfe stoppen. Im Parlament ist dann eine Drei-Fünftel-Mehrheit nötig, um das Veto des Präsidenten zu überstimmen.