Die Festnetz- und Mobilfunknetze haben Deutschland durch die Corona-Krise gebracht. Doch längst nicht an allen Orten gibt es lückenlosen Empfang. Die Regierung will daher nun selbst tätig werden. In der Branche stößt das auf Zuspruch - allerdings in Maßen.
Berlin (dpa) - Nie mehr "sorry, ich habe kein Netz": Die Bundesregierung will Mobilfunklöcher in Deutschland schließen und dafür mehr als eine Milliarde Euro ausgeben.
"Ich freue mich, dass wir jetzt auch staatlich massiv fördern", sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach einem Mobilfunkgipfel mit Bund, Ländern, Kommunen und Netzbetreibern in Berlin. Um vor allem in ländlichen Gebieten für guten Handyempfang zu sorgen, fördert der Bund mit 1,1 Milliarden Euro künftig auch den Bau von Funkmasten.
Bis zu 5000 Mobilfunkstandorte sollen über eine neue staatliche Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft mit mindestens 4G-Empfang versorgt werden. Zudem sollen die Genehmigungszeiten für neue Masten von derzeit im Schnitt 18 auf 3 Monate gesenkt werden.
Obwohl mittlerweile der Großteil aller Haushalte in Deutschland mit schnellem mobilen 4G-Internet (LTE) versorgt ist, gibt es noch immer etliche weiße Flecken in Deutschland. Wer viel unterwegs surft und telefoniert, kennt das Problem: Kommt man in ländlichere Gegenden oder sitzt im Zug, gehören Aussetzer dazu. Dort will man jetzt auf "Funklochjagd" gehen, wie es Scheuers Ministerium formuliert.
Zwar gilt die Corona-Krise, in der Millionen Menschen zuhause arbeiteten, Filme, Konzerte und private Treffen streamten, als bestandener Herkulestest für die deutschen Netze. Allerdings war hier in vielen Fällen vor allem das Festnetz-Internet gefragt.
Dass in Digital-Deutschland noch viel Luft nach oben ist, zeigte sich in der Nacht zum Dienstag nicht nur an massiven Störungen im Netz der Telekom, sondern sehr anschaulich auch bei der Pressekonferenz nach dem Mobilfunkgipfel, die im Online-Stream bei Journalisten im Homeoffice immer wieder abbrach. Sehr passend wirkte es da, dass Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) großen Nachholbedarf bei der Digitalisierung feststellte und erklärte, es gehe neben Zukunftsprojekten wie smarter Landwirtschaft eben auch darum, "von zuhause aus mal ruckelfrei einen Film gucken zu können".
Eigentlich sollen die Netzbetreiber für flächendeckenden Mobilfunkempfang in Deutschland sorgen. Bei der Ersteigerung von Mobilfunkfrequenzen verpflichten sie sich dazu, bestimmte Versorgungsauflagen zu erfüllen, damit sie den Netzausbau nicht auf lukrative Regionen mit vielen Einwohnern beschränken. Dennoch gibt es weiterhin etliche Funklöcher. Besonders an Hauptverkehrswegen, also ICE-Strecken und Autobahnen, hapert es.
Um hier besonders nachzuhelfen, fördert der Bund technische Umbauten in Zügen nun mit 150 Millionen Euro. Das Programm mit 100 Prozent Förderung sei nun auf den Weg gebracht, sagte Scheuer am Dienstag. Ziel sei dabei, dass der Mobilfunk nicht mehr den Zugfunk störe und damit die Netze entlang der Bahnstrecken besser ausgebaut werden könnten. Dabei gehe es um rund 14.000 Züge. Teils müssten alte Geräte ausgetauscht werden, teils nur aufgerüstet. 2021 solle das abgeschlossen sein. Bisher wurde nur anteilig gefördert. Die Bahn begrüßte das Vorhaben. "Die Deutsche Bahn wird die technische Umrüstung schnell vorantreiben, damit unsere Fahrgäste so bald wie möglich von einem besseren Empfang im Zug profitieren können", sagte Bahn-Vorständin für Digitalisierung Technik, Sabina Jeschke.
Konkret muss die neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft nun in den nächsten Monaten in Kooperation mit den Anbietern herausfinden, wo eine Förderung von Standorten konkret Sinn macht. Das ist dort der Fall, wo nicht zu erwarten ist, dass die Netzbetreiber hier zur Erfüllung von Auflagen oder aus wirtschaftlichem Interesse in den nächsten Jahren von selbst in den Ausbau investieren würden. Dieser Punkt ist auch im Interesse der Branche selbst. Netzbetreiber und Branchenverbände begrüßten am Dienstag die Pläne des Bundes, warnten aber vor schädlicher Konkurrenz durch einen staatlichen Wettbewerber.
"Staatliche Hilfen müssen sich auf jene Gebiete beschränken, in denen nachweislich kein eigenwirtschaftlicher Ausbau absehbar ist", hieß es etwa vom Digitalverband Bitkom. Manche fürchten, der Bund könne durch die neue Gesellschaft eine zu große Rolle beim Ausbau des superschnellen 5G-Standards einnehmen, bei dem die Anbieter noch in frühen Stadien stecken oder teilweise noch gar nicht begonnen haben.
Um diesen schneller voranzutreiben, hatte die Bundesregierung in ihrem Corona-Konjunkturpaket fünf Milliarden Euro veranschlagt. "Es wäre aus unserer Sicht eine falsche Priorisierung, wenn die hierfür erforderlichen, aber extrem knappen Ausbaukapazitäten gezielt in derart dünn besiedelten Gebieten gebunden werden würden", sagte Jürgen Grützner vom Branchenverband VATM. Der Erfolg von autonomem Fahren und anderen Zukunftsanwendungen würde sich nicht in den letzten "zwei Prozent der Versorgungsgebiete" entscheiden.
Städte und Landkreise sehen das anders. Sie wollen im ländlichen Raum nicht nur LTE-Lücken geschlossen haben, sondern auch schnell beim 5G-Netz vorankommen. "Der in einigen Städten bereits begonnene Netzausbau muss sich so schnell wie möglich auch in die ländlichen Räume erstrecken. Soweit dies nicht eigenwirtschaftlich möglich sein wird, muss der Bund auch insoweit Mittel zur Verfügung stellen", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager.