Die Verhandlungen der EU mit Großbritannien verlaufen äußerst schleppend - und trotzdem wird man nicht mehr Zeit zum Abschluss eines Partnerschaftsabkommens bekommen. Das Nein aus London sei definitiv, heißt es jetzt in Brüssel.
Brüssel (dpa) - Die Verlängerung der Brexit-Übergangsphase über das Jahresende hinaus ist nach Einschätzung der EU-Kommission vom Tisch.
Großbritannien habe in der Sitzung des zuständigen Gremiums sein Nein zu einer Fristverlängerung bekräftigt, sagte Vizepräsident Maros Sefcovic. "Nach meiner Einschätzung ist das definitiv das Ende der Debatte."
Damit wächst der Druck, bis zum Jahresende ein Abkommen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zuwege zu bringen. Großbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten, bleibt aber in einer Übergangsphase noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Die EU war für eine Verlängerung der Frist, um mehr Zeit für Verhandlungen zu haben. Großbritannien wendet sich aber seit Monaten strikt dagegen. Gelingt in der Übergangsphase kein Abkommen, wird ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen erwartet.
Sefcovic sagte, er selbst habe zwar betont, dass die EU für eine Verlängerung offen bleibe. Aber der britische Unterhändler Michael Gove hätte in seiner Ablehnung nicht deutlicher sein können, fügte Sefcovic hinzu. Gove habe dies damit begründet, dass den britischen Bürgern dies als Versprechen im Wahlkampf gegeben worden sei. Er habe die Haltung der britischen Regierung sehr, sehr deutlich gemacht.
Gove erklärte auf Twitter, er habe im Gespräch mit Sefcovic "förmlich bestätigt", dass Großbritannien die Übergangsphase nicht verlängern werde. "Wir werden am 1. Januar 2021 die Kontrolle zurückholen und unsere politische und ökonomische Unabhängigkeit wiedergewinnen", schrieb Gove.
Es war die letzte reguläre Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Europäischen Union und Großbritanniens, bevor die Option zur Verlängerung Ende des Monats ausläuft. Möglich wären nach dem EU-Austrittsvertrag mit Großbritanniens eine einmalige Verlängerung um ein oder zwei Jahre.
Im Vereinigen Königreich trifft die harte Haltung der britischen Regierung durchaus auf Kritik. Die Regierungschefs der britischen Landesteile Schottland und Wales, Nicola Sturgeon und Mark Drakeford, hatten erklärt, die Übergangsphase nicht zu verlängern, sei in der Coronavirus-Pandemie "außerordentlich skrupellos".
Die EU-Spitzen haben für Montag eine Videokonferenz mit dem britischen Premierminister Boris Johnson vereinbart, um eine Zwischenbilanz zu den Verhandlungen über ein Handels- und Partnerschaftsabkommen zu ziehen. Beide Seiten sind sich einig, dass bisher kaum etwas erreicht wurde.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner forderte eine härtere Verhandlungslinie der EU. Johnson habe offensichtlich kein Interesse an einem fairen Deal und wolle sich nicht an die Vereinbarungen der gemeinsamen Politischen Erklärung halten, erklärte sie in Berlin. "So schade es ist, die EU muss nun deutlicher werden: Ohne faire Standards gibt es nur einen begrenzten Binnenmarktzugang, vor allem im Finanzmarktsektor."