Allgäu: kein Problem. Algarve: geht auch. Antalya: lieber erstmal nicht. So sieht grob gesagt die Empfehlung der Bundesregierung an den deutschen Sommerurlauber aus. Kann sich aber auch noch ändern.
Berlin/Brüssel (dpa) - Ja zum Urlaub im Ausland, aber nur in bestimmten Grenzen und auf eigene Gefahr: Mit dieser Ansage schickt die Bundesregierung die Deutschen in die Sommerferien in Zeiten von Corona.
Für 28 europäische Länder wird die weltweite Reisewarnung für Touristen an diesem Montag zwar aufgehoben und für drei weitere ist das geplant. Für mehr als 160 Staaten soll sie aber zunächst bis zum 31. August verlängert werden. Das beschloss das Kabinett am Mittwoch.
Bundesaußenminister Heiko Maas machte am Donnerstag nach Beratungen mit den zwölf Haupturlaubsländern der Deutschen aber klar, dass es auch da noch Ausnahmen geben könnte - zum Beispiele für beliebte Urlaubsländer wie die Türkei, die bereits den Flugverkehr nach Deutschland wieder aufgenommen hat. Dazu würden nun Gespräche geführt. "Wir werden das Woche für Woche überprüfen."
Maas betonte auch, dass die Reisewarnungen und Reisehinweise der Bundesregierung nur eine Empfehlung und keine Vorschrift seien. "Die Verantwortung für eine Reise, die trägt jeder selbst. Selbst eine Reisewarnung ist ja kein Reiseverbot." Egal wohin es gehe, gelte: "Genießen Sie Ihren Sommerurlaub, aber genießen Sie Ihn mit Vorsicht und genießen Sie Ihn in Verantwortung."
Maas hatte am 17. März eine Reisewarnung für Touristen für alle fast 200 Länder der Welt ausgesprochen - und damit eine kostenlose Stornierung von Reisen ermöglicht. Zu den Ländern, für die sie nun aufgehoben wird, zählen die 26 Partnerländer Deutschlands in der Europäischen Union, das gerade aus der EU ausgetretene Großbritannien und die vier Staaten des grenzkontrollfreien Schengenraums, die nicht Mitglied in der EU sind: Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein. Für 28 Länder erfolgt die Aufhebung am 15. Juni, für Spanien und Norwegen erst später, weil dort noch Einreisesperren gelten.
Auch für Schweden dürfte es eine Verzögerung geben. Das Auswärtige Amt weist auf seiner Internetseite darauf hin, dass das EU-Land derzeit die sogenannten Pandemiekriterien für eine Aufhebung der Warnung nicht erfülle. "Überschreitet ein Land die Neuinfiziertenzahl im Verhältnis zur Bevölkerung von weniger als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten 7 Tagen, bleibt die Reisewarnung bestehen oder wird wieder ausgesprochen. Dies gilt aktuell für Schweden", heißt es dort. Schweden hatte deutlich freizügigere Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ergriffen als der Rest Europas.
Für die Länder, für die die Reisewarnung aufgehoben wird, gibt es künftig ausführliche Reisehinweise, in denen über die landesspezifischen Risiken informiert wird. Das kann auch bedeuten, dass von touristischen Reisen abgeraten wird. Zum Beispiel bei Großbritannien soll das der Fall sein, solange dort noch eine 14-tägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden besteht.
Dass die Reisewarnung für mehr als 160 Länder weiterbesteht, begründet die Bundesregierung damit, dass in Ländern außerhalb der EU Reisebeschränkungen und Quarantänevorschriften "ohne jede Vorankündigung und mit sofortiger Wirkung" wieder eingeführt werden könnten. Wegen solcher plötzlicher Maßnahmen waren im März Zehntausende deutsche Touristen im Ausland gestrandet. 240.000 wurden in einer wochenlangen Aktion zurück nach Deutschland geholt. Eine Wiederholung will die Bundesregierung unbedingt vermeiden.
Der Reiseverband DRV bezeichnete die Entscheidung als nicht "verhältnismäßig", weil sie rund 160 Staaten über einen Kamm schere. "Die Pandemie klingt in sehr vielen Ländern der Welt ab", sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Er forderte schnellstmöglich differenzierte Reisehinweise. Zugleich wies er darauf hin, dass im Krisenfall die Veranstalter Pauschalurlauber zurückholten.
Maas zeigte Verständnis für die Unternehmen, verteidigte seine Entscheidung aber: "Ich weiß aus vielen Gesprächen, wie hart die Pandemie die Reisebranche getroffen hat, aber es bleibt dabei: Für uns ist der oberste Maßstab die Sicherheit der Reisenden."
Türkische Hoteliers reagierten enttäuscht. Die Türkei müsste "unter den ersten Ländern" sein, für die die Reisewarnung aufgehoben werde, sagte Erkan Yagci, Chef des Mittelmeer Hotelier und Touristikverbandes (Aktob). Sein Land habe "Pionierarbeit" geleistet und zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus getroffen.
Die Türkei wartet sehnsüchtig auf die für die Tourismusbranche so wichtigen deutschen Urlauber. Die halbstaatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines (THY) nahm am Donnerstag nach mehr als zwei Monaten Pause ihren internationalen Flugverkehr wieder auf. Die ersten Flüge vom Flughafen Istanbul starteten mit den Zielen London und Düsseldorf. Bei der Tochterfirma Anadolu Jet standen unter anderem Verbindungen von Ankara und Istanbul nach Berlin und Frankfurt auf dem Flugplan.
Auch Ägypten will den Flugverkehr zu Hauptferienzielen auf der Sinai-Halbinsel und am Roten Meer wie Hurghada und Scharm el Scheich am 1. Juli wieder aufnehmen. Ägypten ist nach der Türkei das zweitbeliebteste Urlaubsland der Deutschen außerhalb der EU.
Eine Empfehlung der EU-Kommission vom Donnerstag könnte eine Aufhebung der Reisewarnung für die Urlaubsziele außerhalb Europas begünstigen. Bis zum 1. Juli soll die in der Corona-Krise eingeführte Einreisesperre in die Europäische Union - also in umgekehrter Reiserichtung - demnach zwar verlängert werden. Anschließend soll sie aber schrittweise aufgehoben werden. Dafür sollen die EU-Staaten nun gemeinsam eine Positivliste mit Ländern erarbeiten, die dafür in Frage kommen. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte, eine Aufhebung der Einreisesperre sei für alle Staaten möglich, "die im Vergleich zur EU in einer ähnlichen oder besseren Situation sind".
Mit Blick auf die Kriterien dürften Staaten wie die USA oder Russland, in denen die Lage derzeit deutlich schlechter als in der EU ist, allerdings zunächst nicht auf der Liste stehen. Vom Balkan könnten nach dem Willen der EU-Kommission allerdings bald wieder Reisende in die EU kommen.
Auch für deutsche Auslandsurlauber ist der Vorschlag der EU-Kommission wichtig, weil die Bundesregierung die Reisewarnung nur für Länder aufheben will, für die auch die Einreisesperre schon aufgehoben ist. Ab dem 1. Juli könnte es da also sehr schnell Bewegung geben - wenn die EU-Staaten sich auf eine gemeinsame Liste einigen können. Andernfalls drohten neue Kontrollen innerhalb Europas, sagte Johansson.