Die Finanzwelt schaut gebannt auf den Bitcoin. Wird der Kurs der Kryptowährung nach der Halbierung der Schürf-Belohnung wieder in die Höhe schnellen? Und wie kommt der Bitcoin durch die Corona-Krise? Experten geben widersprüchliche Antworten.
Berlin (dpa) - Die Kryptowährung Bitcoin steht wieder im Rampenlicht. Nach einem sagenhaften Kursanstieg auf mehr als 20.000 Dollar im Dezember 2017 und einem tiefen Fall auf unter 3300 Dollar ein Jahr später hoffen nun Bitcoin-Investoren darauf, dass eine Verknappung der Produktion neuer Bitcoins zu einer neuen Kursrally führen wird.
Doch zunächst mussten die Fans der Kryptowährung am Wochenende einen neuerlichen Crash verkraften. Nach dem technischen Protokoll sollte am Montagabend das dritte sogenannte Halving umgesetzt werden. Satoshi Nakamoto, der geheimnisumwitterte Gründer von Bitcoin, hatte festgelegt, dass die Gesamtmenge aller Bitcoins auf 21 Millionen Stück limitiert wird. Die Bitcoins sollten aber nicht auf einen Schlag ausgeschüttet, sondern nach und nach über den Verlauf mehrerer Jahrzehnte verfügbar gemacht werden. Bei den Halving-Events wird die Anzahl der Bitcoins, die von den Minern alle zehn Minuten errechnet werden können, planmäßig halbiert - von bisher 12,5 Bitcoins auf dann nur noch 6,25 Bitcoins.
"Durch das Halving wird das Angebot neuer Bitcoins spürbar gekürzt", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Philipp Sandner. "Das wäre so, als würden alle Goldminen auf der Welt von heute auf morgen nur noch die Hälfte an Gold produzieren", so der Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.
In der Geschichte des Bitcoin findet die Halbierung der Vergütung für einen errechneten Block nun zum dritten Mal statt. Beim ersten Halving im November 2012 lag der Kurs des Bitcoin im zweistelligen Dollar-Bereich, beim zweiten Halving im Juli 2016 schon bei rund 600 Dollar. Vor der aktuellen dritten Halbierung kletterte der Kurs in der vergangenen Woche auf mehr als 10.000 Euro, um dann am Wochenende spürbar auf unter 8500 Dollar abzusacken.
Ganz unabhängig von der Entwicklung des Kurses hat die Halbierung der Belohnung für das Schürfen neuer Bitcoins Auswirkungen auf die Szene der "Miner", die Rechenleistung für das Netzwerk bereitstellen. "Das Mining-Volumen sinkt, und das Schürfen ist nicht mehr so profitabel", sagt Sandner. Anbieter, die alte Hardware verwenden oder teuren Strom beziehen, werden demnach aus dem Netzwerk verdrängt, weil sie dann unprofitabel werden. "Im Netzwerk verbleiben die effizienteren Mining-Farmen, die, die über günstigen Strom verfügen oder auch die neueste Hardware einsetzen."
Die Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerks insgesamt werde sich zwar reduzieren. "Es besteht aber keine Gefahr, dass die Rechenleistung nicht mehr ausreicht, um die Sicherheit des Netzwerks zu gewährleisten. Dazu ist das gesamte Bitcoin-Netzwerk inzwischen zu groß", betont Sandner.
Trotz der Kursschwankungen glaubt der Wirtschaftswissenschaftler, dass sich Bitcoin in den Zeiten der Corona-Pandamie und den damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheiten "perfekt als Krisenwährung" eigne. "Bitcoin ist von der Architektur her wie Gold, aber eben digital. Bitcoin ist wie Gold ein knappes Gut. Bei Bitcoin gibt es keine Inflation", argumentiert Sandner. Deswegen eigne sich Bitcoin theoretisch für den Werterhalt.
Sandner räumt allerdings auch ein, dass es sich beim Bitcoin um ein "sehr, sehr kleines Projekt im Vergleich zu Vermögensgegenständen" wie Gold handelt. Deswegen habe der Markt relativ gesehen eine recht geringe Liquidität. "Auch dies ist ein Grund für die hohe Volatilität." In der Theorie sei der Bitcoin für den Werterhalt in einer Krise geeignet. "In der Praxis ist es aber so, dass das ganze Projekt noch relativ jung ist und das Verständnis, was Bitcoin exakt ist, noch bei weitem nicht derart verbreitet ist wie bei Gold. Aufgrund der Volatilität ist Bitcoin eher etwas für erfahrene Investoren, nicht für Einsteiger."
Die Verbraucherschützer in Deutschland warnen dagegen unisono, Geld in Kryptowährungen anzulegen, sie seien ein "hochriskantes Spekulationsobjekt". "Kryptowährungen unterliegen starken Kursschwankungen", warnte zuletzt die Verbraucherzentrale Hamburg. Ihr Wert hänge allein von der Nachfrage ab. "Bricht die Nachfrage ein, verliert auch die Währung an Wert." Die Verbraucherschützer verweisen darauf, dass Bitcoins keine zusätzlichen Zinsen abwerfen. "Weiterer Nachteil: Der Markt für Kryptowährungen ist nicht durch eine Finanzaufsicht reguliert. Es fehlen staatliche Sicherungssysteme."
Die Befürworter des Bitcoin und anderer Kryptowährungen dagegen berufen sich auf die Studie "Imagine 2030" der Deutschen Bank. Dort wird auf rund 80 Seiten argumentiert, warum Kryptowährungen sich zu Währungen im traditionellen Sinne entwickeln werden, in sogenanntes Fiat-Geld. Aber auch diese These blieb von höchster Stelle nicht unwidersprochen: "Angesichts der Kursausschläge eignen sich Krypto-Token weder zur verlässlichen Wertaufbewahrung noch als Recheneinheit", sagte Bundesbank-Chef Jens Weidmann.