Große Herstellergruppen dominieren zunehmend den Markt. Der Verbund von Reisemobilmarken soll eine rationellere Entwicklung und Produktion ermöglichen. Werden die Modelle dadurch immer einheitlicher? Wir haben nachgesehen.
Bereits Ende der 1990er Jahre tauchte in der Automobilindustrie der Begriff Plattform auf. Der VW-Konzern, der mehrere Marken unter einem Dach versammelt hatte, verordnete den Entwicklern eine konsequente Gleichteilestrategie. Alle Modelle ähnlichen Formats sollten unter dem Blech möglich viel gemeinsame Technik benutzen, um letztlich Entwicklungs- und Fertigungskosten zu sparen. Die Strategie ging auf.
Heute setzen alle großen Autokonzerne auf wenige technische Plattformen, um darauf umso mehr unterschiedliche Modelle zu bauen. Kein Wunder, dass man diese Beispiele auch in der Reisemobilindustrie vor Augen hat – zumal die Anzahl der Marken, Baureihen und Modelle bei den Freizeitfahrzeugen noch größer ist als in der Pkw-Produktion, während die gebauten Stückzahlen viel geringer ausfallen.
Nachdem die vier größten Gruppen (Erwin Hymer Group, Trigano, Knaus Tabbert und Pössl) inzwischen etwa drei Viertel des deutschen Reisemobilmarkts unter sich aufteilen, liegt die Idee nahe: Im Konzernverbund können ähnliche Modelle von unterschiedlichen Marken die Kosten bei Konstruktion und Produktion reduzieren. Welche Konsequenzen ergeben sich dadurch für die Modellvielfalt?
Modelle und Basisfahrzeuge der Gruppen
Die Aufzählung bezieht sich ausschließlich auf die Aufbauformen und Basisfahrzeuge auf dem deutschen Markt. In anderen Ländern kommen oft noch weitere Reisemobilmarken, Typen und Fahrgestellalternativen hinzu.
Erwin-Hymer-Gruppe
Hymer: Campingbusse, Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Citroën und Mercedes
Carado/Sunlight: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Citroën
Bürstner: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Citroën und Mercedes
Dethleffs: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Ford, Mercedes und Iveco
LMC: Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Citroën
Laika: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Mercedes und Iveco
Etrusco: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Niesmann + Bischoff: Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Iveco
Crosscamp: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Opel und Toyota
Rapido-Gruppe
Rapido: Campingbusse, Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Mercedes
Westfalia: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Fiat, Ford, Mercedes, VW, MAN, Nissan
Itineo: Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Dreamer: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Fiat und Ford
Fleurette/Florium: Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
PLA/Giottiline: Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Citroën
Pilote-Gruppe
Pilote: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Frankia: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Mercedes
Le Voyageur: Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Mercedes und Iveco
Mooveo: Campingbusse, Teilintegrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Hanroad: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Renault und VW
Trigano-Gruppe
Challenger/Chausson: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Mercedes
Eura Mobil: Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Forster: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Karmann Mobil: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Fiat und Ford
Adria: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Citroën und Renault
Sun Living: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven; Basisfahrzeuge von Fiat und Citroën
Roller Team: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Ford
Mobilvetta: Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Rimor: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven; Basisfahrzeuge von Fiat und Ford
X-Go: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven; Basisfahrzeuge von Fiat
Benimar: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Ford
Auto-Sleepers: Campingbusse, Teilintegrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Peugeot und Mercedes
Notin: Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Mercedes, Iveco
Carthago-Gruppe
Carthago: Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Mercedes und Iveco
Malibu: Campingbusse, Teilintegrierte, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat
Knaus-Tabbert-Gruppe
Knaus: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat, Peugeot, MAN und VW
Weinsberg: Campingbusse, Teilintegrierte, Alkoven, Integrierte; Basisfahrzeuge von Fiat und Peugeot
Morelo: Integrierte; Basisfahrzeuge von Iveco und Mercedes
Pössl-Gruppe
Pössl/Globecar: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Fiat und Citroën
Clever: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Fiat und Citroën
Roadcar: Campingbusse; Basisfahrzeuge von Fiat und Citroën
Die Plattformen der unterschiedlichen Marken
Als Hymer-Chef Martin Brandt die Entwickler der Gruppe vor etwa vier Jahren mit Plattformideen konfrontierte, blickte er oft in ratlose Gesichter – und bekam zur Antwort: Wir benutzen doch alle die gleiche Plattform, den Fiat Ducato. Korrekt, doch darum ging es Martin Brandt nicht. Seine Idee betraf vielmehr Einrichtung und Aufbau: Gängige Grundrisse sollten markenübergreifend entwickelt werden. Eine Plattform kann in diesem Fall beispielsweise ein Einzelbetten-Grundriss mit sieben Meter Länge sein. Das bedeutet etwa identische Abmessungen von Betten, Bad und Küche, obwohl sich die sichtbaren Oberflächen und Materialien deutlich unterscheiden. Klarer Vorteil dieser Strategie sind sinkende Entwicklungskosten und viele gleiche Teile, die umso günstiger eingekauft werden können.
Wer heute Modelle der Hymer-Gruppe betrachtet, kann die Ergebnisse des Plattformdenkens entdecken, muss aber schon genau hinsehen, um Gemeinsamkeiten auszumachen. Generell fällt auf, dass vor allem die Einsteigermarken im Gleichschritt unterwegs sind, dass die Mittelklasse mehr individuelle Varianten erlaubt und im Premium-Segment kaum noch sichtbare Parallelen vorhanden sind. So leistet sich die Marke Hymer mit dem SLC-Chassis und Mercedes-Triebkopf sogar ein eigenes Fahrgestell. Der Smove von Niesmann + Bischoff basiert zwar wie viele Teilintegrierte der Gruppe auf dem Ducato, hat aber sonst praktisch nichts mit ihnen gemeinsam.
Nicht alle Marken und Modelle genießen so viel Freiheit. Die münsterländische Traditionsmarke LMC hat im Konzernverbund ihre Eigenheiten verloren. Bis auf Sondermodelle werden LMC-Reisemobile bei Bürstner gebaut und übernehmen von dort die komplette Technik, sind also hundertprozentige Plattformvarianten.
In der Knaus-Tabbert-Gruppe hat man in der Vergangenheit nicht nur positive Erfahrungen mit der Vermischung allzu ähnlicher Marken gemacht. Heute hält man Knaus und Weinsberg möglichst weit auseinander; Morelo ist als Luxus-Manufaktur sowieso außen vor. Wenn zuletzt mit Knaus Live I und Weinsberg Caracore günstige Integrierte zusammen entwickelt wurden, merkt der Käufer das allenfalls auf den zweiten Blick. Die optischen Parallelen bleiben gering und bei der Einrichtung lässt nur der beliebte Sieben-Meter-Grundriss mit Einzelbetten fast unvermeidbare Ähnlichkeit erkennen. Auch sonst leisten sich beide Marken ihre Eigenheiten.
Eine Differenzierung ergibt sich hier nicht nur durch Ausstattung und Preissegment: So ist der Edition Pepper längst ein typischer Weinsberg, während es einen Van TI Plus auf MAN-Basis eben nur bei Knaus geben kann. Selbst bei den Fiat-basierten Campingbussen, die zwangsläufig nur eine geringe Variationsbreite zulassen, erlauben sich beide Marken spürbare Unterschiede.
Synergien nutzen, aber ein anderes Marktsegment bedienen: Das gilt ebenso für Carthago und seine Tochtermarke Malibu. Eine gewisse optische Nähe wird dabei durchaus in Kauf genommen, wobei sich Malibu – siehe Aufbaukanten – teilweise mit weniger ausgefeilten technischen Lösungen begnügt. Gleichzeitig greifen die Teilintegrierten und Integrierten von Malibu bei der Einrichtung auf viele Carthago-Ideen und -Teile zurück, sodass man hier durchaus von Plattformen sprechen kann. Gleichzeitig gewährt man Malibu aber innerhalb der Carthago-Gruppe einen eigenen Schwerpunkt im Segment der Campingbusse.
Wie sieht es in den anderen europäischen Gruppen mit dem Thema Plattformen aus? Bei Rapido verwendet man diesen Begriff eher nicht, doch es kommt im Einzelfall vor, dass ein ganz neuer Grundriss beispielsweise parallel in einem Dreamer und Rapido Van Einzug hält. Sonst setzt man auf eine klare optische und technische Differenzierung, etwa zwischen Rapido und Itineo.
Die Trigano-Gruppe hat ihre Entwicklung ohnehin dezentral organisiert. Im Programm von Adria – der zuletzt von den Franzosen übernommenen Marke – lässt sich beispielsweise kein Trigano-Einfluss ausmachen. Adria selbst vermeidet sogar Berührungspunkte mit seiner langjährigen Tochtermarke Sun Living. Obwohl die Modelle am gleichen Standort geplant und gebaut werden, entwickelt jede Marke bewusst eigene Grundrisse.
Das Spiel mit Marken und Synergien beherrscht man bei Trigano jedoch durchaus, aber das hat weniger mit gemeinsamer Entwicklung als mit Vertriebsstrategien zu tun.
Vertriebsmarken
Wenn eine Automarke ein neues Modell auf den Markt bringt, indem man lediglich die Markenembleme eines vorhandenen Fahrzeugs austauscht, spricht man von Badge-Engineering, frei übersetzt Plaketten-Entwicklung.
Populäre Beispiele finden sich im Kleinwagenbau, wenn etwa aus einem VW Up ein Skoda Citigo wird, und nicht zuletzt bei Transportern: Auf diese Weise wandelt sich ein Renault Trafic zum Fiat Talento oder ein Citroën Spacetourer zum Toyota Proace Verso und Opel Zafira Life. Im Reisemobilbau erkannte man bei Trigano schon vor über 30 Jahren die Vorzüge des Badge-Engineering. Man verschmolz die übernommene Traditionsmarke Chausson und die Eigenkreation Challenger miteinander, die fortan identische Reisemobile anboten. Neben Details wie Dekoren und Stoffen gibt es bis heute nur einen entscheidenden Unterschied: den Vertriebsweg. Ohne Plattformstrategie oder gar aufwendige Neuentwicklung gelingt den französischen Marken auf diese Weise ein breiter Auftritt über getrennte Händlernetze. Das ist noch nicht alles. Als Chausson und Challenger ihre Palette mit einem Integrierten schmücken wollten, konnten sie dabei ebenfalls eine aufwendige Entwicklung vermeiden. Man bediente sich einfach bei der (in Deutschland nicht vertretenen) Schwestermarke Autostar und verwandelte deren Integrierte durch neue Dekore zum Chausson oder Challenger.
Beispiele für eine geschickte Abstimmung von Markennamen und Vertriebskanälen finden sich auch bei den deutschen Trigano-Ablegern. Ohne eigene Konstruktionsabteilung hat sich etwa die Marke Forster etabliert. Sie profitiert von der italienischen Trigano-Tochter McLouis, die nicht mehr in Deutschland aktiv ist.
Auf ähnliche Weise wurde Karmann Mobil zum Campingbusspezialisten. Hier konnte man im Konzern unter anderem auf die Erfahrung des französischen Ausbaubetriebs Font Vendôme zurückgreifen. Der Erfolg von Forster und Karmann führt inzwischen aber dazu, dass man hier doch mehr als nur Badge-Engineering betreibt und Neuentwicklungen zusammen mit dem eigentlichen Hersteller voranbringt.
Der Gedanke reiner Vertriebsmarken reifte aber auch im Hymer-Konzern schon vor der Plattformstrategie. Hier entstand zunächst Sunlight, um abgelegte Dethleffs-Konstruktionen günstig zu vermarkten. Weil die Idee gut ankam, erhielt Sunlight 2006 nicht nur eine eigene Produktionsstätte in Sachsen, sondern mit Carado eine Zwillingsmarke und damit deutlich erweiterte Vertriebsmöglichkeiten.
Im Umfeld von Dethleffs spielt auch die Erfolgsgeschichte einer weiteren großen Vertriebsmarke: Globecar wurde einst von Pössl ins Leben gerufen, um identische Modelle verstärkt über Dethleffs-Händler zu vermarkten. Hintergrund: Sämtliche D-Line-Modelle beider Schwestermarken entstehen bei Dethleffs. Als Pössl dort auch den kompakten Campster fertigen ließ, inspirierte das zu einer weiteren Vertriebsidee: Parallel dazu produziert man jetzt den technisch identischen Crosscamp – die jüngste Marke der Hymer-Gruppe.
Handelsmarken
Es geht auch andersherum: Nicht immer sind es die Strategen der Herstellergruppen, die für eine Vielzahl sehr ähnlicher Modelle auf dem Markt sorgen. In einigen Fällen lassen sich Händler bestimmte Modelle bauen, die sie dann unter eigenen Markennamen vermarkten. Das funktioniert wiederum nur mit großen Herstellergruppen, die ihre Reisemobile in abgewandelter Form für die Handelsmarke fertigen. Parallelmodelle sind so programmiert.
Auf eine längere Tradition dieser Art kann Ahorn Camp zurückblicken. Heute kauft man ausschließlich in der Trigano-Gruppe. Die Alkoven und Teilintegrierten werden von Rimor in Italien gebaut, die Campingbusse von Font Vendôme in Frankreich. Weil man nur auf Modelle mit Renault-Fahrgestellen setzt, die so nicht in Deutschland angeboten werden, können sie durchaus eine Portion Eigenständigkeit für sich verbuchen.
Ohne eigene Konstruktionsabteilung und Produktion kommt etwa auch Van Tourer aus. Hinter der Campingbusmarke steckt der Händlerverbund Intercaravaning. Alle Van Tourer werden im ungarischen Knaus-Werk gebaut. Gewisse Ähnlichkeiten mit den hauseigenen Campingbussen sind daher kaum zu vermeiden.
Die Knaus-Tabbert-Gruppe beliefert ebenfalls Orangecamp mit Campingbussen, Teilintegrierten und Alkoven. Weitere Beispiele für Handelsmarken gefällig? Glücksmobil hat drei Teilintegrierte im Angebot, die dem Dethleffs Trend Edition sehr nahe sind. Bei Nobel- Art handelt es sich um Ableger des Roller Team Kronos. Free Living vermarktet Dubletten des Hobby Optima oder Vantana. Weil jedoch die Händler über ihr Markenprogramm entscheiden, können sich die Hersteller von Saison zu Saison ändern.
Anders bei herstellereigenen Marken, die wie Handelsmarken gehandhabt werden. Zu nennen sind hier beispielsweise X-Go aus dem Hause Rimor oder Mooveo: Speziell für einen deutschen Vertriebskanal fertigt die Pilote-Gruppe Campingbusse und Teilintegrierte mit dem Mooveo-Label, die im Prinzip den Modellen der Muttermarke entsprechen.
Gerade Pilote ist jedoch ein Beleg dafür, dass Gruppe nicht automatisch Plattform bedeutet. Vor 30 Jahren übernahmen die Franzosen die Marke Frankia, doch die Produktion blieb stets streng getrennt – und bis heute entstand nie ein gemeinsam entwickeltes Modell.