In der Coronavirus-Krise ist von freiem Reisen in Europa nicht mehr die Rede - etliche EU-Länder machen Grenzen weitgehend dicht, nun auch Deutschland. Von Reisen ins Ausland wird abgeraten.
Brüssel/Berlin (dpa) - In der Coronavirus-Krise führt Deutschland am Montag umfassende Kontrollen und Einreiseverbote an den Grenzen zur Schweiz, Österreich, Frankreich, Luxemburg und Dänemark ein.
"Für Reisende ohne triftigen Reisegrund gilt, dass sie nicht mehr einreisen können", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. Die Entscheidung werde am Montag ab 08.00 Uhr greifen.
Zuvor hatten schon andere EU-Staaten Grenzen weitgehend dicht gemacht, darunter Dänemark, Polen, die Slowakei, Tschechien und Österreich. Frankreich kündigte als Reaktion auf die deutschen Maßnahmen ebenfalls verschärfte Kontrollen an.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen warnte vor Nachschubproblemen bei bestimmten Produkten im Supermarkt. Es seien bereits Tausende Lastwagen- und Busfahrer an den Grenzen gestrandet. "Wenn wir jetzt nicht handeln, werden Läden Schwierigkeiten bekommen, ihre Lager mit bestimmten Produkten zu füllen", sagte von der Leyen in einem auf Twitter verbreiteten Video. "In diesem Moment der Krise ist es von äußerster Wichtigkeit, unseren gemeinsamen Binnenmarkt am Laufen zu halten."
Der EU-Binnenmarkt ist wirtschaftlich eng verflochten mit grenzüberschreitenden Lieferketten. Deshalb kann sowohl in der Produktion als auch in Läden der Nachschub an bestimmten Waren knapp werden, wenn Lastwagen an der Grenze festhängen.
Von der Leyen sagte, Gesundheitsschutz dürfe nicht dazu führen, dass wichtige Güter und Personal blockiert würden. Sie kündigte für Montag einen Vorschlag für einheitliche Kontrollmaßnahmen an den EU-Grenzen an. Normalerweise gibt es keine Grenzkontrollen im sogenannten Schengenraum. Ausnahmen sind nur in besonderen Lagen möglich.
Seehofer sagte zur Begründung der neuen deutschen Grenzregeln: "Die Ausbreitung des Coronavirus schreitet schnell und aggressiv voran." Und er fügte hinzu: "Wir müssen davon ausgehen, dass der Höhepunkt dieser Entwicklung noch nicht erreicht ist." Am Montag werde im Krisenstab unter Vorsitz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über weitere Maßnahmen beraten, darunter auch mögliche Rückholaktionen für deutsche Staatsbürger.
"Deutsche Staatsangehörige haben selbstverständlich das Recht, wieder in ihr Heimatland einzureisen", sagte der CSU-Politiker. Das Gleiche gelte auch für Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung und Wohnsitz in Deutschland, ergänzte Staatssekretär Hans-Georg Engelke. Ausgenommen seien auch der Warenverkehr und der Verkehr von Pendlern. "Wir verbieten ja nicht die Berufstätigkeit", sagte Seehofer.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versicherte im ARD-"Bericht aus Berlin": "Es geht nicht um Grenzschließungen als generelles Mittel." Der freie Warenverkehr und wirtschaftliche Aktivitäten sollten nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. "Wir versuchen, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten."
Polizeikräfte seien bereits unterwegs zu den Grenzabschnitten, sagte Dieter Romann, der Präsident der Bundespolizei, bei der Pressekonferenz mit Seehofer in Berlin. Es sei ausreichend Personal vorhanden. Von Corona-Infektionen sei auch die Polizei betroffen. Er nannte vier bestätigte Infektionen und 240 Polizisten, die als Kontaktpersonen in Quarantäne seien. "Die Zahlen steigen ständig", sagte er. Es stünden noch Ergebnisse von 90 Tests aus.
Romann betonte: "Wir schließen keine Grenzen. Nordkorea tut das. Wir kontrollieren an den Grenzen, das ist etwas ganz anderes." Die Grenzkontrollen seien "eine Sache, für die ich seit Freitag in der Tat, ziemlich gekämpft habe", sagte Seehofer. Er habe lange auf eine einvernehmliche europäische Lösung in dieser Frage gehofft. In einer Krisensituation könne man aber irgendwann nicht mehr abwarten. "Schuldig macht sich nur, wer nicht handelt", sagte er. Deutschland werde mit der Covid-19-Krise noch viele Monate zu tun haben.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte am Sonntag nachdrücklich die Schließung der Grenze zu Frankreich gefordert. An erster Stelle stehe der Schutz der Bevölkerung vor einer Infektion, teilte Strobl mit. "Dazu ist entscheidend wichtig, auch die grenzüberschreitende Ausbreitung bestmöglich zu unterbinden - insbesondere aus Hochrisikogebieten im Ausland." Die Schließung der Grenze sei hart, aber notwendig. Die an Baden-Württemberg grenzende französische Region Grand Est (Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne) gilt als Risikogebiet.
Die Bundesregierung rät zudem von allen nicht notwendigen Reisen ins Ausland ab. "Das Risiko, dass Sie Ihre Rückreise aufgrund der zunehmenden Einschränkungen nicht mehr antreten können, ist in vielen Destinationen derzeit hoch", schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zur Begründung auf Twitter.
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