Showdown in Luxemburg: Apple und die EU-Kommission ringen vor dem EU-Gericht um die gigantische Steuernachforderung von 13 Milliarden Euro in Irland. Und am Ende dürfte es um mehr als nur viel Geld gehen.
Luxemburg (dpa) - Die juristische Schlacht zwischen Apple und der EU-Kommission um die Rekord-Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro in Irland ist voll entbrannt.
Der iPhone-Konzern bekräftigte vor dem EU-Gericht in Luxemburg, dass die Erträge von zwei irischen Tochterfirmen vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Die Kommission warf Apple vor, nur Verwirrung zu stiften. Sie betonte ihre Sichtweise, dass Irland die Steuern zu niedrig angesetzt habe.
Der iPhone-Hersteller fühlt sich dagegen doppelt zur Kasse gebeten. "Apple zahlt jetzt rund 20 Milliarden Euro Steuern in den USA auf dieselben Gewinne, die laut der Kommission auch in Irland besteuert werden müssten", erklärte der US-Konzern. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte Apple im August 2016 aufgefordert, die Milliardensumme in Irland nachzuzahlen, weil das Land dem Konzern eine unzulässige Sonderbehandlung bei den Steuerkonditionen gewährt habe.
Bei dem Streit geht es nicht nur um viel Geld. Für die in Europa oft gefeierte Kommissarin Vestager war der aufsehenerregende Fall ein Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn. Eine Niederlage könnte ein entsprechend schwerer politischer Rückschlag für sie werden. Zudem könnte das Verfahren für Streit zwischen den USA und Europa über die Besteuerung amerikanischer Unternehmen sorgen. Und für Apple geht es auch um den Ruf: Der iPhone-Hersteller will sich nicht als Steuerflüchtling und Trickser bezeichnen lassen.
Die Schlüsselfrage in dem Verfahren ist, welcher Anteil des in Irland angesammelten Geldes hätte in dem Land versteuert werden müssen.
Apple argumentiert, die irische Tochter Apple Sales International (ASI) sei lediglich für den Vertrieb von Geräten des Konzerns außerhalb Nord- und Südamerikas zuständig gewesen - während die eigentlichen Werte vor allem in den USA geschaffen worden seien. "Das iPhone, das iPad, der App Store und alle anderen Produkte und Dienste von Apple wurden anderswo entworfen und entwickelt." Deswegen wäre es falsch, auf die Gewinne aus dem internationalen Geschäft, die sich in Irland ansammelten, Steuern in dem Land zu bezahlen. Irland habe deshalb zurecht nur den Teil der bei den Tochterfirmen verbuchten Gewinne besteuert, die auf Aktivitäten in dem Land zurückgingen.
Die Kommission bestritt am Dienstag nicht, dass ein Großteil des intellektuellen Eigentums bei Apple in den Vereinigten Staaten entstehe. Allerdings habe die irische Steuerbehörde nicht die notwendigen Analysen des gesamten Geschäfts der Apple-Töchter durchgeführt, um begründet entscheiden zu können, welcher Anteil der Gewinne wo versteuert werden sollte. Die Zahlen "basieren nicht auf wissenschaftlichen Daten und auf keiner bekannten Methodologie". Stattdessen habe sich die Steuerbehörde auf Angaben von Apple dazu verlassen. Irland entgegnet, es sei ausreichend gewesen, nur die Apple-Aktivitäten in dem Land zu betrachten.
Die Kommission wies auch die Darstellung von Apple zurück, die beiden irischen Firmentöchter seien lediglich mit Vertrieb und Fertigung beauftragt gewesen. "Das ist nicht alles, was in Cork vor sich geht", einige Aktivitäten in der irischen Stadt gingen darüber hinaus. Die Kommission argumentiert unter anderem, die irischen Töchter hätten die Innovationen durch Vereinbarungen zur Kostenteilung mitfinanziert. Irland konterte, ausschlaggebend sei nur, an welchem Ort intellektuelles Eigentum geschaffen werde.
Mehrere Richter zeigten sich frustriert mit den zum Teil recht dünnen Informationen insbesondere zur ersten Steuervereinbarung aus dem Jahr 1991. "Ich habe aufrichtige Schwierigkeiten zu verstehen, wo die meisten Zahlen herkommen", sagte etwa Richter Alexander Kornezov. Die Vertreter Irlands räumten ein, dass das Verfahren zur Zuordnung der Gewinne heute besser dokumentiert worden wäre. Zugleich wollten Richter aber auch von der Kommission wissen, welche Beweise sie dafür vorlegen könne, dass strategische Entscheidung der Tochterfirmen in Irland getroffen würden. Die berichterstattende Richterin Vesna Tomljenovic meinte, die irischen Töchter kämen ihr wie leere Firmenmantel vor - was Apple zurückweist.
Amerikanische Unternehmen konnten nach früheren US-Regelungen Auslandsgewinne außerhalb des Heimatlandes lagern. Bei einem Transfer in die USA wurden 35 Prozent Steuern fällig. Viele Firmen behielten deshalb das Geld im Ausland. Mit der seit 2018 greifenden Steuerreform wurde eine Zahlung auf die Auslandsreserven mit deutlich niedrigeren Sätzen fällig - unabhängig davon, ob sie in die USA gebracht werden oder nicht.
Apple zahlte nach Angaben von Januar 2018 rund 38 Milliarden Dollar Steuern auf den im Ausland gelagerten Geldberg von 252 Milliarden Dollar und kündigte an, den Großteil der Reserven in die USA zu überweisen. Die am Dienstag genannten 20 Milliarden Euro sind Teil dieser 38 Milliarden Dollar, wie Anwälte erklärten. Sie seien noch nicht komplett bezahlt worden, aber die gestaffelte Zahlung sei fest vereinbart. Apple hinterlegte nach der Forderung der Kommission zudem 14,3 Milliarden Euro auf einem Treuhandkonto inklusive Zinsen.
Rund um den Streit kochten immer wieder die Emotionen hoch. So hatte Apple-Chef Tim Cook die Kritik Vestagers, Apple habe in Irland im Jahr 2014 eine Körperschaftssteuer von nur 0,005 Prozent bezahlt, als "politischen Dreck" bezeichnet. Die Kommission muss in Luxemburg unter anderem nachweisen, dass Apple in Irland Sonderkonditionen bekam, die für andere Unternehmen nicht verfügbar waren. Nach der Entscheidung des EU-Gerichts können die Seiten noch in Berufung beim Europäischen Gerichtshof gehen. Das dürfte den Streit um weitere Jahre verlängern.