Die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Fahrradfahrer ist in den vergangenen Jahren häufig gestiegen. Nun ist in den ersten fünf Monaten ein neuer Höchststand erreicht. Experten schlagen Alarm.
Wiesbaden (dpa) - Auf Deutschlands Straßen leben Fahrradfahrer oft gefährlich. Die Zahl der getöteten Radler hat einen neuen Höchststand erreicht - nicht zuletzt durch den Boom bei Pedelecs.
Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes kamen im ersten Halbjahr 2019 bei etwas mehr Verkehrsunfällen insgesamt zwar weniger Menschen ums Leben gekommen als im Vorjahreszeitraum. In den ersten fünf Monaten - hier liegen Details vor - erreichte die Zahl der getöteten Radfahrer aber den höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre.
2019 kamen von Januar bis Mai 158 Radfahrer ums Leben, das waren 16 (11,3 Prozent) mehr als im Vorjahreszeitraum. Die neuen, als unfallträchtig geltenden E-Scooter sind in der Statistik noch nicht mit drin. Sie werden erst von 2020 an erfasst.
Laut Automobilclub ADAC (München) ist "mehr Radverkehr sicher eine Ursache" für die hohe Zahl der in diesem Bereich ums Leben gekommenen Menschen. Radfahrer müssten auch stärker geschützt werden. "Aus Sicht des ADAC ist etwa der verpflichtende Einsatz von Lkw-Abbiegeassistenten elementar", teilte Sprecherin Katrin van Randenborgh mit.
Zusammengerechnet zählten die Statistiker im ersten Halbjahr 2019 1465 Menschen, die bei Verkehrsunfällen getötet wurden. Das waren 40 weniger als im Vorjahreszeitraum, ein Rückgang um 2,7 Prozent. Die Zahl der Verletzten nahm um 5,1 Prozent auf 178.544 Menschen ab. Die Gesamtzahl der Unfälle stieg hingegen leicht um 0,4 Prozent auf knapp 1,3 Millionen. Bei 1,16 Millionen Unfällen blieb es bei Sachschäden (plus 1,1 Prozent). Bei knapp 139 000 Unfällen wurden Menschen verletzt (minus 4,9 Prozent).
Im Zeitraum der ersten fünf Monate sank die Zahl der getöteten Motorradfahrer um 44 auf 172 Menschen, ein Minus von 20,4 Prozent. Autoinsassen starben 529, das waren 31 (5,5 Prozent) weniger als zuvor. Die Zahl der getöteten Fußgänger blieb mit 173 unverändert.
Mit Blick auf die gestiegene Zahl der getöteten Radfahrer befürchtet Siegfried Brockmann, der Leiter Unfallforschung der Versicherer (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft/Berlin), "dass diese Entwicklung weitergeht". Ein Grund dafür sei die Infrastruktur gerade in den Kommunen. "Der Radverkehr wächst schneller als die Kommunen nachkommen. Städte und Gemeinden müssten hier massive Anstrengungen unternehmen."
Ein besonderes Problem seien außerdem die Pedelecs, die bis zu einem Tempo von 25 Stundenkilometern in der Statistik bei den Fahrrädern mitgerechnet werden. "Die Zahl der Pedelecs wird zunehmen. Das ist ein Riesenproblem", sagte Brockmann. Die Steigerungsrate der Getöteten sei hier doppelt so hoch wie unter den normalen Radfahrern. "Diese Entwicklung verläuft extrem ungünstig."
Ähnlich sieht es auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC/Berlin). "Deutschland muss jetzt einen Zahn zulegen beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur, sonst werden wir ständig solche Hiobsbotschaften bekommen", teilte Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork mit. "Wir brauchen sofort mehr Tempo 30 in den Städten, schnelle Ausbauprogramme für geschützte Radwege an Hauptachsen und vor allem: Geschützte Kreuzungen! Kreuzungen sind die gefährlichsten Punkte für Radfahrerinnen und Radfahrer."
Etwa zwei Drittel aller Fahrradunfälle seien Zusammenstöße mit Autos. "Hauptschuld trägt in den allermeisten Fällen (75 Prozent) der Autofahrer." Der ADFC fordere "daher beim Ausbau der Radinfrastruktur besonders Augenmerk auf Kreuzungen und Einmündungen".
Die im ersten Halbjahr gesunkene Zahl der Unfalltoten insgesamt muss laut Brockmann nicht bedeuten, dass auch am Ende des Jahres diese Zahl niedriger liegt als 2018, wo 3275 Unfalltote gezählt wurden. Es komme auch darauf an, ob schönes Wetter Motorradfahrer locke. "Jeder fünfte Unfalltote in Deutschland ist ein Motorradfahrer."