Neben der Apple Watch Series 4, die u.a. ein EKG aufzeichenn kann, stellte Apple gleich drei neue iPhone-Modelle vor: iPhone Xs, Xs Max und das günstigere LCD-Modell Xr.
Die Gerüchte der letzten Wochen und Monate, die sich immer mehr zu Nachrichten verdichtet hatten, trafen komplett ins Schwarze. Apple stellt im September 2018 eine neue Apple Watch und drei neue iPhones vor. Dabei stellt der Hersteller das iPhone X ein – aber nur, um es als verbessertes iPhone XS und in der großen Variante als iPhone XS Max für ein Jahr als das "beste iPhone, das wir je gemacht haben" an den Kunden zu bringen. Ebenso präsentiert, aber noch einen Monat in der Warteschleife: Das LCD-iPhone mit iPhone-X-Technik namens iPhone XR. Dieses kommt zwar wie weiland das iPhone 5C in mehreren Farben und kostet auch weniger als die neuen High-End-Modelle, ist aber bei weitem kein Schnäppchen. Immerhin verkauft Apple das Vorjahresmodell iPhone 8 und das iPhone 7 von 2016 für reduzierte Preise weiter, die dazugehörigen Plus-Modelle fallen aber ebenso aus dem Portfolio wie das iPhone SE, das womöglich gar keinen Nachfolger mehr bekommt.
Das Rad oder wenigstens das iPhone neu erfunden hat Apple trotz Phil Schillers Marketinggetöse nun gewiss nicht, doch versprechen die beiden OLED-Modelle deutliche technische Verbesserung bei den Chips, in der Sensorik und bei der Software. Es ist gewissermaßen mehr vom Selben. Das weiß auch Apple und rechtfertigt die Strategie der permanenten Neuerung mit Argumenten rund um den Umweltschutz. Und wenn man mal außer Acht lässt, dass die iPhones des Jahrgangs 2019 dann wieder die "besten aller Zeiten" sein werden, ist der Argumentation durchaus auch zu folgen: Denn die Generation von 2018 hat das Zeug wie die meisten ihrer Vorgänger über viele Jahre ihren Besitzern zu dienen. In Sachen Langlebigkeit muss sich Apple nichts vorwerfen lassen, beim Recycling ist aber gewiss noch Luft nach oben, wenn auch Konkurrenten da noch aufzuholen haben.
Die Apple Watch Series 4 hingegen bringt etliche Neuerungen, die man in dieser Weise nicht schon in diesem Jahr erwartet hätte. Die intelligente Armbanduhr wird zwar deutlich teurer, bietet aber vor allem in Sachen Gesundheit weit mehr. Auch hier ist noch Raum für Verbesserungen, die wir in den nächsten Jahren peu à peu erwarten dürfen. Aber der Reihe nach:
Die Keynote in halbwegs chronologischer Reihenfolge:
"Heavy California" von Jungle leitet die diesjährige iPhone-Keynote ein und führt den Zuseher in das Steve Jobs Theater, in dem er zunächst einen Imagefilm zu sehen kommt, mit der Motto-Musik von "Mission Impossible". Eine Apple-Mitarbeiterin versucht darin, verzweifelt den Veranstaltungsort in einer Zeit von unter drei Minuten zu erreichen. Der VP Technology Kevin Lynch, der eine neuen Apple Watch am Arm hat, mit der man sich auch beamen kann, ist aber schneller und bringt Tim Cook noch rechtzeitig in einem Koffer einen Klicker für seine Präsentation – feine Selbstironie. Aber dann geht es in medias res, die jüngsten Innovationen will man zeigen. "Unsere Produkte waren schon immer sehr persönlich und das haben wir über die Jahre weiter entwickelt, über Mac, iPhone, iPad und Apple Watch", sogar zu einem unvergleichlichen Einkaufserlebnis in den Apple Stores, die mittlerweile über 500 Millionen Besucher im Jahr anziehen – also im Schnitt etwa eine Million pro Store. Einen anderen Meilenstein nennt Cook gleich noch zu Beginn: Apple habe nun mehr als zwei Milliarden iOS-Geräte verkauft.
Es geht heute aber konkret um zwei der persönlichsten Geräte, die Apple im Portfolio hat, das wussten wir ja schon zuvor und erhalten früh die Bestätigung, dass Mac und iPad heute außen vor stehen. Zunächst dreht sich alles um die Apple Watch, die die meistverkaufte Uhr der Welt sei. "Punkt!". Leider nennt Tim Cook immer noch keine konkreten Zahlen, aber COO Jeff Williams darf das neue Modell vorführen.
Neues Modell setzt noch mehr auf Gesundheit – größeres Display mit mehr Platz, EKG und Herzrhythmus
"Die Apple Watch ist zu einem intelligenten Wächter für ihre Gesundheit geworden," lobt der Chief Operating Officer und lässt einen Werbefilm abspielen. Ja, sie sieht in etwa so aus wie auf den geleakten Bildern. Bei der eSIM-Variante ist auf der digitalen Krone der rote Punkt zu einem Kreis geworden. Das ist aber nicht der wesentliche, ähh, Punkt: Die Apple Watch Series 4 habe man komplett neu überdacht: "Sie ist einfach wunderschön". Der Bildschirm ist um 30 Prozent größer geworden, man könne so mehr in Maps, Photos, Kalender und allen anderen Apps sehen, neue Komplikationen zeigen mehr Details. Ein neues Zifferblatt bringt bis zu acht Komplikationen, auf einem Watch-Face kann man auch Kontakte hinterlegen, Zeitzonen oder – was im genannten Bild zu sehen war – die Watch zu einer "ultimativen Fitness-Uhr" machen. Diverse Hersteller liefern neue Komplikationen mit nützlichen Informationen. Die App "Atmen" ist nun auch in vier Varianten als Zifferblatt zu haben. Effekt-Faces wie Feuer, Wasser und Dampf kommen auch hinzu, wenig nützlich, aber hübsch anzuschauen.
Die Rückseite ist aus schwarzer Keramik und Glas gefertigt, der Empfang soll sich damit verbessern. Zu diesem Zweck hat Apple auch Lautsprecher und Mikrofon verlegt. Der Prozessor S4 soll die doppelte Performance liefern, Beschleunigungsmesser und Gyroskop sollen Bewegungsdaten achtmal schneller erfassen. Das soll dabei helfen, Stürze zu erkennen, vom Rad, beim Laufen oder einfach nur von der Leiter. Die Apple Watch ruft dann bei Bedarf automatisch den Rettungsdienst. "Ein Feature, das man hoffentlich nie benötigt. Aber es ist beruhigend, wenn man weiß, dass es da ist." Die digitale Krone bietet nun auch haptisches Feedback.
Drei neue Features für das Herz
Nun meldet die Uhr auch, wenn der Puls zu niedrig ist, bisher war das nur bei Tachykardie der Fall. Die Algorithmen der Apple Watch können schon länger Vorhofflimmern erkennen, diese Funktion kommt nun auch in die Series 4, wenn der Rhythmus nicht mehr stimmt, meldet sich die Uhr. Das Top-Feature ist aber das EKG, das die Apple Watch nun erstellen kann, wenn man einen Finger der freien Hand auf die digitale Krone legt. Auch hier hält Apple schon länger die Patente, nun ist das also serienreif. Die Daten bereitet die Uhr auch gleich für den Arzt auf.
Was das taugt, erklärt der Präsident der American Heart Association, Ivor Benjamin. Bei Untersuchungen sei es ja oft das Problem, dass die Symptome, die einen zum Arzt führten, nicht mehr auftreten. Mit der Echtzeitmessung von Herzrhythmus und EKGs und der Aufbereitung der Daten könne man Krankheiten wesentlich besser diagnostizieren. Die Apple Watch ist von der US-Gesundheitsbehörde FDA bereits als Medizingerät freigegeben, in allen Features. Leider werden die neuen Funktionen erst "später in diesem Jahr" den Kunden in der USA zur Verfügung stehen, Apple arbeite hart daran, diese weltweit anzubieten. Auch hier müssen Gesundheitsbehörden erst grünes Licht geben. Die Daten sind auf dem Gerät verschlüsselt, der Anwender kann genau bestimmen, wer sie zu sehen bekommt und wer nicht.
Bei allen Neuerungen soll die Akkulaufzeit nicht leiden, 18 Stunden für den Hausgebrauch und sechs Stunden für Outdooraktivitäten.
Die Farben: Silber, Gold und Space Gray und ein neues Finish: Stainless Gold. Das Sondermodell Nike Sports bringt optional ein reflektierendes Armband. Die Uhr ohne Mobilfunk-Modul kostet ab 429 Euro, die mit eSIM 529 Euro. Die Apple Watch Series 3 kostet nun ab 279 Euro. Vorbestellen kann man die Uhr ab dem Freitag, 14. September, die neuen Preise für die Series 3 sind sofort aktiv, wenn der Apple Store wieder online ist. Zur Auslieferung gelangt das neue Modell eine Woche danach, dann liegt auch watchOS 5 in finaler Version vor. Weitere Details zur Apple Watch Series 4 finden Sie hier.
iPhone Xs ud Xs Max mit teils stark verbesserten Komponenten - A12 Bionic in 7nm, acht Kerne für die Neural Engine
Zunächst lobt Tim Cook noch das Modell des Vorjahres, das iPhone X mit seiner FaceID und seinem Kamerasystem. Das iPhone X sei das populärste Smartphone der Welt und die Kunden mit einer Zufriedenheitsrate vom 98 Prozent die glücklichsten. Und heute gibt es den Nachfolger, natürlich wie in jedem Jahr das "Fortschrittlichste iPhone, das wir je kreiert haben" – das wird Tim Cook auch nächstes Jahr so sagen. Es heißt wie erwartet iPhone XS, also "ten s". Phil Schiller stellt die Details vor: Ein großartiges neues Finish mit gold an Vorder- ud Glasrückseite, das Glas sei noch robuster geworden. Drei Farben: Gold, Silber, Schwarz. Schutz nach Standard IP 68: Das neue iPhone Xs hält nun auch über eine halbe Stunde in zwei Meter Wassertiefe aus. Am Super-Retina-Display ändert sich nichts in Sachen Auflösung und Pixelzahl. Am Dynamikumfang hat Apple aber geschraubt, der HDR-Umfang soll nun um 60 Prozent größer als beim iPhone X werden. Die Refresh-Rate erhöht sich auf 120 fps. Gut für Spiele, an sich auch für den Apple Pencil, aber davon kein Wort.
Die zweite Größe mit 6,5 Zoll Diagonale heißt iPhone Xs Max, klar, der Bildschirm ist ja größer als der der "Plus"-Modelle, erklärt Schiller. Wir wollen ja nicht besserwisserisch sein: Aber was, wenn Apple in ein paar Jahren noch größere Displays verbaut? Dann ist das Maximum von heute kein absolutes, sondern nur ein lokales und die Marketingabteilung bekommt Kopfweh …
Das XS soll bei der Soundwiedergabe ein weiteres Stereofeld aufspannen, ideal für Musikvideos und natürlich auch für Filmwiedergeabe, gerade auf dem großen Display. Die Gesichtserkennung soll dank besserer Sensoren und einer schnelleren Secure Enclave auch schneller geworden sein.
Den Chip nennt Apple wie erwartet A12 Bionic. Der wesentliche Durchbruch: Es handelt sich um den ersten 7nm-Chip. Die sechs Kerne teilen sich auf zwei schnelle High-Performance-Cores mit 40 Prozent besserer Leistung (gegenüber A11), die vier auf Effizienz getrimmten Kerne leisten das um die Hälfte besser. Die Neural Engine hat Apple von zwei auf acht Kerne aufgeblasen, die bis zu 5 Billionen Operationen pro Sekunde durchführen können. Bis zu 512 GB Speicher sind nun auch möglich – ein halbes Terabyte in der Hosentasche.
Neu erfunden hat Apple das iPhone X damit nicht und schon gleich gar nicht das Rad. Doch die Verbesserungen der Komponenten wie Bildschirm, Sensoren, Chip und Neural Engine bringen natürlich im Alltag Verbesserungen bei allen möglichen Anwendungen. CoreML soll etwa bis zu neunmal schneller arbeiten, aber weniger Energie verbrauchen. Auch rechenintensive Anwendungen rund um AR profitieren natürlich von der höheren Leistung. Mit iOS 12 kommen ja einige neue Optionen, wie etwa Apples eigene App "Maßband" und ARKit2.
Drei Entwickler bekommen noch die Gelegenheit, die neuen Möglichkeiten anhand ihrer Apps vorzustellen. Spiele wie "Elder Scrolls" werden natürlich noch eindrucksvoller und mit CoreML werden Anwendungen wie HomeCourt noch nützlicher. Die Anwendung hilft Basketballspielern dabei, ihre Technik zu verbessern. Das iPhone Ss verfolgt mit seinem Kamerasystem den Spieler beim Training und nimmt in Echtzeit sechs wichtige Parameter auf. So sollen diese lernen, den Korb besser zu treffen. AR und maschinelles Lernen treffen hier aufeinander.
Directive Games zeigt noch wie AR virtuelle Arcade-Maschinen zum Leben erweckt - und deren Spiele in eine dreidimensionale Umgebung ausbrechen lässt – schön! Aber das kratzt alles nur an der Oberfläche dessen, was AR leisten kann.
Phil Schiller erklärt auch noch die Neuerungen der Foto-Kamera auf der Rückseite. Weitwinkel- und Teleobjektiv haben nach wie vor 12 MP Auflösung, aber der CCD dahinter ist neu und bietet eine größere Fläche. Der ISP arbeitet nun mit der Neural Engine zusammen, vor allem Freistellungen sollen besser werden, ein neues Features namens Smart HDR benutzt mehrere Einzelbilder und baut daraus das Optimum zusammen. Belichtung, Weißabgleich, Fokus werden automatisch angepasst, bis zu einer Billion Operation erledigt der A12 Bionic für jedes Bild. Bokeh-Effekte gewinnen dadurch auch an Qualität: Die Verschwommenheit des Hintergrunds lässt sich nachträglich noch in der Foto-App anpassen.
Akku-Laufzeit: Apple verspricht 30 Minute längere Nutzung täglich im Vergleich zum iPhone X, das iPhone XS Max soll gar anderthalb Stunden länger durchhalten. Erstmals unterstützten die neuen Modelle Dual-SIM, dank eSIM und der Technik DSDS. Provider wehren sich noch ein wenig, doch Apple hat wohl ein gutes Dutzend überzeugt. In China wird es das Modell mit zwei SIM-Card-Slots geben, im Rest der Welt nur mit einem und eben der eSIM.
Mehr Details zum iPhone Xs lesen Sie hier.
Umweltschutz
Also mehr vom selben und das revolutionäre Gerät aus de Vorjahr ist schon wieder Alteisen? Apple kennt die Kritik und schickt seine Umwelt-Beauftragte Lisa Jackson auf die Bühne, die nicht nur verspricht, dass Apple zu 100 Prozent mit regenerativer Energie betrieben wird, sondern die Produkte dazu gemacht sind, lange zu halten und sich gut recyclen lassen. Vor allem auf frisches Zinn kann man immer mehr verzichten, das Plastik wird zu einem guten Drittel aus biologischen Materialien produziert. iOS 12 sei zudem dazu dafür konzipiert, auch ältere Geräte wieder flotter zu machen, damit man sie länger verwenden kann. Apple nimmt gebrauchte Geräte kostenlos zurück und zerlegt sie mit Robotern wie Liam und Daisy in seine Einzelteile. Die neuen Geräte soll man nun auch so lange wie möglich verwenden können, aber was passiert, wenn Apple im Jahr 2019 noch bessere iPhone vorstellt? Immer mehr Kunden wollen jedes Jahr ein neues Modell. Immerhin geben sie dann meist das alte zurück in den Gebrauchtwarenhandel, ein iPhone ist gewiss kein Wegwerfprodukt.
One more iPhone
Zum Schluss geht es dann noch um das günstigere LCD-Modell, das all die neuen Technologien auch einer breiteren Kundschaft an die Hand geben soll: iPhone Xr. Aluminiumrahmen, Glasrückseite, diverse Farben inklusive rot für Product RED. Für das "fortschrittlichste LCD-Display in einem Smartphone" hat Apple auch gleich einen neuen Marketing-Begriff erfunden: Liquid Retina, mit einer Diagonale von 6.1 Zoll. Wide Color, True Tone, "iPhone-X-Erfahrung auf einem LCD-Display". Haptic Touch anstatt 3D-Touch, aber die True-Depth-Kamera ist die gleiche. Ebenso der Chip: A12 Bionic. Die Kamera auf der Rückseite bietet zwar nur ein Objektiv, es handelt sich aber um die gleiche Technik wie in den OLED-Varianten. Sogar Porträt-Fotos sind mit dem einen Objektiv dank der Software möglich. Auch hier verlängert sich die Akkulaufzeit, um anderthalb Stunden im Vergleich zum iPhone 8 Plus. Mehr zum iPhone Xr lesen Sie hier.
Die Preise und Verfügbarkeit
Wie der Analyst Ming-Chi Kuo schon vor einigen Wochen gesagt hatte, kommt das LCD-iPhone etwas später. Vorbestellen kann man das iPhone XR erst ab dem 19. Oktober, eine Woche später gelangt es in den Handel, in Konfigurationen mit 64, 128 und 256 MB ab 849 Euro. Früher sind die neuen OLED-Modelle iPhone Xs ud iPHone Xs Max zu haben, bestellen kann man sie mit wahlweise 64, 256 und 512 GB ab 1149 respektive 1249 Euro ab diesem Freitag (14. September), ausgeliefert werden sie dann eine Woche später. Die finale Version von iOS 12 kommt am 17. September, macOS Mojave eine Woche später.